Jetzt wird es wirklich zur Herausforderung: Bleibe ich lieber drinnen in der kuscheligen Wärme oder hole ich das Liegedreirad aus der Scheune? Oder auch: Ziehe ich mich um und setze mich auf das “Scorpion fs” oder bemühe ich doch lieber das Auto, das mich mit seiner Heizung lockt?
“Nur nicht vorher die Außentemperatur überprüfen!”
Ich gebe gerne zu, dass ich mich teilweise selbst überzeugen muss, Gefallen an dem Gedanken zu finden, mich in die Kälte zu begeben. Allerdings weiß ich auch, dass nur zu Anfang diese Überwindung nötig ist, denn sobald ich auf meinem Elektrodreirad sitze, nimmt das bekannte Gefühl der Freude von mir Besitz und es ist beinahe egal, ob die Sonne scheint oder sich hinter dicken Wolken versteckt, ob der Wind kalt weht oder nur der Fahrtwind an meiner Jacke rüttelt.
Ich habe herausgefunden, dass es fatal ist, wenn ich zuerst die Nase aus der Haustüre strecke, um zu “prüfen wie kalt es eigentlich ist”. Mein Gesicht verzieht sich dann unweigerlich und ich kann mir nicht vorstellen, warum in alles in der Welt ich eigentlich hinausgehen sollte. Viel besser ist es, dass ich laut verkünde, ich würde jetzt eine Tour mit dem Liegedreirad unternehmen und schon mal damit beginne, die Fahrradtasche herauszuholen. Ich sage das wirklich laut, auch wenn ich alleine bin und dann zähle ich mir selbst all die Vorzüge auf, die mich auf dem “Scorpion fs” erwarten. Ein bisschen Hilfe habe ich dabei auch, denn Emilia wird schon ganz verrückt vor Freude, wenn sie merkt, dass ich meine “Fahrradklamotten” aus dem Schrank hole und dann gibt es kein Zurück mehr – ich brächte es niemals übers Herz, ihr dann erklären zu müssen, dass ich doch lieber drinnen bleiben möchte.
Ich habe es mir abgewöhnt auf das Thermometer zu schauen bevor ich losradle. Das tue ich erst, wenn ich wieder zurück bin, denn dann friere ich plötzlich sehr! “Was, nur 3° C und dann noch dieser Wind, ja bin ich denn verrückt ohne zusätzliche Weste losgefahren zu sein….?” Obwohl die Jacke, die ich trage auf der Fahrt warm genug war und ich nicht gefroren habe, dafür aber jetzt umso mehr.
“Also bei weniger als 5°C brauche ich nun wirklich nicht Liegerad zu fahren, da mache ich mal schön Pause bis es wieder einige Grad mehr sind, oder?” denke ich dann weiter und weiß, dass ich genau aus dem Grund beim nächsten Mal erst wieder auf das Thermometer sehe, nachdem ich zurückgekehrt bin.
Heute habe ich also laut verkündet, dass ich auf Tour gehen würde und meinen inneren Dialog begonnen (“Das wird wieder schön, naja die Sonne scheint nicht, aber…”), da erscheint Paul vor mir und meint, er käme auch mit, bestimmt würde das eine schöne Fahrt mit dem Liegedreirad. Der Hund beginnt schon seinen Freudentanz, und ich versuche meine sehnsüchtigen Blicke zur Couch, die am warmen Ofen steht, zu verstecken.
Was für eine schöne Zeit wir drei hatten! Wir sind sogar einen Umweg gefahren, um die Tor etwas auszudehnen, denn die meisten Leute bleiben jetzt lieber drinnen und so hatten wir den Wald ganz für uns alleine. Die Luft roch nach schwere, nasser Walderde, das Liegedreirad schnurrte in mäßigem Tempo dahin und wir unterhielten uns, lachten oder schwiegen gemeinsam, weil die Landschaft so wunderschön war.
Lieber bergauf als bergab
Nur bei der Abfahrt wurde es sehr frisch und plötzlich waren wir froh um den langen Anstieg, der uns stets auf der Heimfahrt erwartet, denn das wärmt den Körper wieder angenehm auf.
Als wir zuhause ankommen, unsere “Scorpion fs” wieder geparkt sind und wir die Haustüre öffnen, schaut Paul auf das Außenthermometer und ruft: “Was, nur 3°C ?! O Gott, das ist ja eiskalt, da kann man doch nicht Fahrrad fahren. Ich muss sofort rein, ich friere…”
Sag ich doch – immer erst danach aufs Thermometer schauen…