Weil ich immer wieder vom Kettwiesel Evo schwärmte, bekam ich häufiger die Frage: Wirst du deinem Scorpion den Rücken kehren und dir ein Kettwiesel zulegen?
Ich bin nun am Ende meiner Testzeit und zu einem Urteil gekommen. Viele Negativaspekte habe ich ja nicht gefunden, um es schon mal vorweg zu nehmen und natürlich ist ein Liegedreirad auch immer eine Frage des persönlichen Geschmacks und der Vorlieben. Was ich gut finde, versteht ein anderer vielleicht weniger und was mich stört, kann für eine andere eine zu vernachlässigende Nebensache sein.
PRO
(+ gut ++sehr gut +++spitze)
++ Ausstattung
++ Verarbeitung
++ praktisches Handling im Alltag
++ Reichweite Akku
+++ Design
+++ Federung
+++ Zubehör
+++ Kurvenverhalten
+++ Parkmöglichkeiten (Platz)
+++ Fahrgefühl
+++ Komfort
+++ Geländetauglichkeit
+++ Einsatz in der Stadt
CONTRA
(- nicht empfehlenswert – – schlecht – – – Zumutung)
– Geräusch Shimano Steps Motor
– Display Shimano Steps Motor
– – fehlende Kombination Anhänger/Trolley
Das Kettwiesel Evo hat Komponenten namhafter Hersteller (welche Ausstattung mein Testrad hat kannst du in einem früheren Bericht nachlesen) und besonders gut gefallen haben mir die Bremsen und die Federung.
Die Kabelverläufe sind sauber verpackt und teilweise versteckt, so dass nichts (auch optisch) störend herumhängt. Die Alltagkleidung bleibt bei trockener Witterung sauber, das habe ich einige Male ausprobiert.
Liegedreiräder sind häufig schwer, wenn sie nicht aus teurem, ultraleichtem Material gebaut und voll gefedert sind. Motorisiert kommen noch mal einige Kilo obendrauf, aber das Kettwiesel Evo ist trotz seines Gewichts sehr wendig, nicht sperrig und auch im Stand leicht zu bewegen. Kurz in die richtige Position schieben oder darauf sitzend mit einem Bein navigieren, ist auch mit eingeschränkter Beweglichkeit kein Problem. Dank des immens engen Wendekreises musste ich das Trike noch nie anheben, um es in Position zu bringen.
Erfreut habe ich in den letzten Jahren beobachtet wie das Aussehen des Kettwiesels eine Wandlung vollzog. Es ist heute nicht mehr kantig und wirkt trotz seiner Länge nicht mehr wie XXL, sondern hat ein sportliches Design mit schnittigen Rundungen und frechen Farben zur Auswahl. Die Deltaform ist von Natur aus etwas lang, aber wirklich nur etwas. Ich hatte immer einen sehr guten Überblick über das Trike und seine Dimensionen.
Die Federung hat sich besonders hervorgetan. Durch die Deltaform läuft das Kettwiesel Evo ohnehin schon ruhig auf der Straße, aber auf Kopfsteinpflaster und im Gelände fängt die Federung die groben Stöße sehr effektiv ab und schont so Rücken, Gelenke und Gepäck. So behütet bin ich noch nie mit einem gefederten Liegedreirad oder Fahrrad geradelt.
Das Zubehör von Hase Bikes begeistert mich total. Das Verdeck ist einfach anzubringen, schnell gefaltet und wiegt wenig. Auch optisch ist es ein Hingucker und gewann damit zu Recht einen Preis für Design. Die Tasche als Trolley vermisse ich schon jetzt und auch die Möglichkeiten, die das Kindertrike als Anhänger zum Beispiel bietet, sind einfach genial.
Besonders hervorheben möchte ich auch die platzsparende Unterbringung, die einmalig ist. Hochkant geparkt nimmt das Trike weniger Fläche in Anspruch als ein konservatives Fahrrad und ist damit das einzige Liegedreirad, das ich kenne, was sich überall parken lässt, wenn nach oben hin genug Raum ist, ohne dass ich es falten muss. Auch Treppenstufen kann ich mit dem Kettwiesel Evo ohne großen Kraftaufwand überwinden und damit findet dieses Gefährt Zugang zu Fahrradkellern, engen Unterstellplätzen oder sogar in den Flur der Wohnung, wo andere Trikes scheitern. Auf den Hinterrädern stehend könnte ich mir sogar vorstellen, wie es in Fahrstühle passt.
Das Fahrgefühl ist ungemein bequem und dabei doch auch sportlich, wenn ich das möchte. Ich kann mit relativ hoher Geschwindigkeit um enge Kurven flitzen ohne dabei zu kippen, aber auch im gemächlichem Tempo ist der Spaßfaktor garantiert. Souverän wie eine Limousine trägt das Kettwiesel Evo die Fahrerin, den Fahrer sanft durch die Landschaft. Für dieses Gefühl des Luxus sorgt auch der äußerst sorgfältig verarbeitete Sitz. Er ist einerseits großzügig gepolstert und lässt andererseits viel Luft an den Rücken, so dass die Kleidung nicht klebt, wenn man aufsteht. Wenn es ginge, würde ich sofort diesen Sitz auf mein eigenes Trike bauen…
Motor
Der Shimano Steps Motor konnte mich nicht überzeugen. Nicht nur, dass er mir zu lasch in seiner Leistung war, sondern dazu auch ein Geräusch von sich gibt, das mich ständig daran erinnert, dass ich motorisierte Hilfe habe. Fairerweise muss ich aber auch erwähnen, dass ich bei meiner Wohnsituation auf einen sehr leistungsstarken Motor angewiesen bin. Für die meisten Strecken wird der Shimano Steps wohl ausreichen und manchem gefällt auch die Tatsache, dass er diskret im Hintergrund bleibt.
Das irritierende Eingreifen des Motors habe ich im Video ausführlich dargestellt und Hase Bikes erklärte mir gegenüber, dass Shimano diese Störung behoben habe. Das Display dürfte meinem Geschmack nach etwas größer sein und ein attraktiveres Menü haben.
Hundeanhänger und Trolley mit Tasche
Man kann nicht alles haben. So war ich doch sehr enttäuscht als ich herausfand, dass ich den Trolley mit Tasche nicht mit dem Anhänger kombinieren kann. Die Anhängerkupplung wird vom Trolley versperrt und als ich das mit dem Designer Paulo Mesquita diskutierte, fand ich schnell heraus, dass dies nicht als Problem bei Hase Bikes gesehen wird – bisher nicht. Aus der Sicht der Kreativen kann ich das nachvollziehen: Wenn ich doch schon so eine riesige Tasche mitführen kann, wofür brauche ich da einen Anhänger? Für Lasten mag das relevant sein, aber was ist mit Familienmitgliedern wie Kinder oder Haustiere? Es wäre doch auch schön, ich könnte jemanden hinten anhängen, der nicht so viel Kraft wegen eines Handicaps hat? Und trotzdem den Trolley mitnehmen? Und gerade wenn ich ein Kind an der Hand habe und nur noch eine frei, so wäre der Trolley als Tasche doppelt praktisch, statt etwas Schweres herumzuschleppen.
Dieser letzte Punkt ist aber für die meisten Leute nicht relevant, sondern nur für Eltern mit kleinen Kindern, Angehörige von Menschen mit Handicap oder Hundefreunde, die auf den Trolley nicht verzichten wollen. Für mich allerdings ist er das entscheidende Kriterium zu sagen: Das Kettwiesel Evo ist für mich persönlich keine Option.
Das liegt vor allem auch an meiner Lebenssituation (mit Hund) und meinem Bedarf für einen kräftigen, sehr leistungsstarken Motor, der meine Einkaufslasten und den Anhänger an steilen Anstiegen hochbefördert, die sich in die Länge ziehen.
Zusammenfassendes Urteil
Das Kettwiesel Evo ist ein tolles Liegedreirad! Ich kann es uneingeschränkt empfehlen und seine Attraktivität kann stolz gezeigt werden. Es ist für den Geschwindigkeitsfreak genauso passend wie für den Liebhaber des gleichmäßigen Gleitens und aufstehen möchte man dank des Sitzes auch nach langen Fahrten nicht so schnell. Die Ausstattungsmöglichkeiten suchen seinesgleichen auf dem Markt der Liegedreiräder (Verdeck, Kindertrike, Tandemmöglichkeit).
Auch bei knapp bemessenem Platz oder Hindernissen muss niemand auf ein Liegedreirad verzichten, wenn es ein Kettwiesel ist.
Ich hatte viel Freude mit dem Kettwiesel Evo und eine tolle Zeit und vermisse es ein bisschen. Großen Spaß hat mir auch gemacht, dass ihr, lieber LeserInnen so aktiv mitgemacht habt! Danke an euch alle!
Den größten Gewinn aus dieser Aktion habe ich in Form von zwischenmenschlichen Beziehungen zu außergewöhnlichen und lieben Menschen bei Hase Bikes bekommen. Diese Kontakte werde ich hegen und pflegen, ganz unabhängig von diesem Blog.