Nach dem ganz hohen Scorpion Plus gab mir HP Velotechnik auch noch ein Scorpion Plus mit nach hause, auf dem man nicht so hoch sitzt. Eine Woche lang testete ich das flotte Liegedreirad und hatte mich am Ende fast verliebt.
Auf dem Weg zu meinen Eltern liegt Kriftel. Da bot es sich an, mein Testrad selbst abzuholen und da ich auch noch ein Scorpion fs 26 S-Pedelec ausprobieren wollte, brachte ich gleich zwei Schätze aus der Liegeradmanufaktur mit zu meinem Besuch.
Das S-Pedelec war ein Wunsch von Paul, da er dieses bis zu 45 km/h schnelle Gefährt ausgiebig im Alltag testen wollte – die ersten Eindrücke auf kurzen Strecken hatten ihn fasziniert.
Ich freute mich auf schöne Ausflüge mit meinen Eltern und es wäre doch sehr schade gewesen, das S-Pedelec herumstehen zu lassen, so dass ich meinen Bruder spontan zu einer Trike-Tour einlud. Der nahm freudig an und war schon gespannt, denn das sollte seine Premiere auf einem Liegedreirad werden. Auf einer abgelegenen Straße wies ich ihn kurz ein. Als er drei Sekunden darauf schon nicht mehr zu sehen und nur noch das Echo seines Jauchzens zu hören war, zweifelte ich als fürsorgliche ältere Schwester ein wenig, ob das klug gewesen war.
Natürlich raste mein 27jähriger Bruder mit vollem Tempo die Straße hoch und runter, testete dabei aus wie kippstabil das Scorpion war, indem er wilde Schlangenlinien fuhr und lachte dabei vergnügt. Wie soll ich meine zwiespältigen Gefühle dabei beschreiben? Ich freute mich, dass er so viel Spaß hatte und hätte gleichzeitig gerne den Motor gedrosselt, weil mir bange wurde als der erste Reifen vom Boden abhob. Auf jeden Fall konnte ich es mir nicht nehmen lassen, ihm mit ernster Miene zu erklären, dass er nur mit auf Tour dürfe, wenn er einen Fahrradhelm trüge. Ältere Schwestern sehen wahrscheinlich nie ein, dass der kleine Bruder längst ein erwachsener Mann ist!
Vier Scorpione gemeinsam unterwegs
Und so fuhren wir zu viert auf unseren motorisierten Scorpionen nach Offenburg und Gengenbach und hatten einen wunderschönen Tag. Meine Mutter testete das Scorpion Plus ebenfalls und fühlte sich ein wenig an ihr Anthrotech erinnert, das sie vor dem Scorpion gefahren war. Die Sitzhöhe ist sehr ähnlich, aber die Ausstattung ist natürlich nicht mit einem Anthrotech zu vergleichen.
Dieses Scorpion Plus machte mir weitaus mehr Spaß als das ganz hohe. Der Unterschied in der Sitzhöhe macht sich deutlich bemerkbar, ich achtete nicht weiter darauf, wie ich in Kurven einbog, denn nicht ein einziges Mal hob eines der Räder ab. Selbstverständlich fahre ich mit dem Hundeanhänger sowieso nicht sportlich um die Kurven, aber dennoch fühlte ich keinerlei Einschränkungen.
Auch auf Waldwegen und Schotter ist diese Sitzhöhe sehr viel angenehmer zu fahren. Die Negativpunkte, die ich im vorigen Test an das Scorpion Plus gegeben hatte, sind bei mittlerer Höhe nicht mehr zutreffend. Wendig-sportlich bleibt natürlich die ganz tiefe Version des Scorpion, ganz eindeutig.
An diesem Testrad hatte ich nun ein 26 Zoll großes Hinterrad. Es wird ja stets hervorgehoben, dass das große Laufrad größere Ruhe beim Fahren bringt. So groß erschien mir der Unterschied zum kleinen Hinterrad beim Testen nicht. Ich hatte aber einige Schwierigkeiten meine Ortliebtaschen anzubringen, die passten nicht so gut an den dicken Umfang des Halters. Ich habe aber auch Modelle, die schon weit über zehn Jahre alt sind, wahrscheinlich ist das bei aktuelleren Taschen kein Thema. Ich würde jedem beim Kauf empfehlen, diesen Aspekt noch genauer zu beleuchten, denn wer auf Radreisen gehen möchte und sein Gepäck nicht als Service zur nächsten Station schicken lässt, ist auf genug Platz am Gepäckträger angewiesen. Ich konnte mich des Eindrucks nicht erwehren, dass hier nur Platz für relative keine Taschen ist (nicht mitgerechnet, dass oben die Ablagefläche für weitere Taschen, Zelt und Schlafsack ja ohnehin ganz wegfällt).
Das Scorpion Plus in mittlerer Sitzhöhe kann ich ohne Einschränkungen für alle empfehlen, die gerne höher sitzen wollen als auf dem herkömmlichen Scorpion. Es ist angenehm für den Rücken beim Hinsitzen und Aufstehen, im Straßenverkehr fand ich den Überblick, den ich auf diesem Trike habe, sehr komfortabel und es wirkt auch optisch nicht wie ein super getunter Rollstuhl.
Aber auch hier ist, wie beim anderen Scorpion Plus, zu bedenken, dass es schwerer und breiter ist. Insgesamt gefällt mir dieses Modell besser und entspricht eher meiner Vorstellung von Alltagstauglichkeit. Als Reiserad kann ich es mir ebenfalls sehr gut vorstellen, auch wenn manche Routen vom asphaltierten Belag abweichen. (So lange die Eingänge der Unterkünfte breit genug sind, um zum Unterstellungsort zu gelangen.)
Und was ist mit dem S-Pedelec?
Mein Bruder hatte großen Spaß mit dem schnellen Gefährt. Allerdings empfindet er den ErgoMash Sitz, genau wie ich, als nicht sonderlich komfortabel. Über den GoSwiss Motor sagte er: “Einfach zu bedienen, schönes Display und der Rückwärtgang ist super. Aber das Rad ist definitiv zu schnell für mich.” Es verführe ihn zur Raserei und kühnen Manövern. Das Konzept “Liegedreirad” gefiel ihm gut.
Eine Anregung hatte er für die Tüftler in Kriftel: Er fände es toll und wesentlich komfortabler, wenn die Bedienknöpfe, die jetzt oben am Lenker sind, im Griff integriert wären, vielleicht sogar jene für das Display, dann müsse man gar nicht mehr umgreifen. Das entspräche dem modernen technologischen Zeitgeist.
Paul kam ebenfalls zu dem Schluss, dass das S-Pedelec zu schnell für ihn sei, wenn auch aus anderen Motiven. “Ich hatte es mir aufregender vorgestellt, so schnell unterwegs sein zu können. Im Alltag stelle ich fest, dass es nur wenige Situationen gibt, in denen ich das nutzen würde. Außerdem möchte ich auch weiterhin uneingeschränkt alle Radwege befahren dürfen und nicht auf die Hauptverkehrsstraße zwischen die Autos verbannt werden.”
Ich habe schon oft beobachtet, dass viele Männer den Kick des schnellen Fahrens toll finden, aber nach einiger Zeit diese Lust nachlässt. Für Leute, die auf einen PKW verzichten wollen ist das S-Pedelec allerdings eine sehr attraktive Alternative. Vor allem für Berufspendler könnte es das optimale Gefährt sein.