Ein Mutter-Tochter-Wochenende, ausgedehnte Tagestouren, über Wollschweine und das schönste Ausflugsziel, das es gibt. Mit Bildern und einem kurzen Video (1 Minute).
Ich war zu Besuch in meiner alten Heimat und von allem, was ich mir vorgenommen hatte, bekam ich nur eines umgesetzt: Ich brachte mein Trike mit.
Durch Verkettung glücklicher Umstände mussten wir alle Pläne überwerfen und es blieb nur eines zu tun, nämlich von morgens bis abends Rad zu fahren. Yeah!!
So machten meine Mutter und ich uns ein richtiges "Mädelswochenende" mit allerhand Klischees, die sich Männer so vorstellen und betteten das in lange Tagestouren ein.
Sechzig Kilometer Schwarzwaldkitschidylle
Am Samstag fuhren wir durch kleine Dörfer und über Umwege nach Gengenbach. Ein Teil der Strecke war identisch mit der letzten Tour, die mein Vater mit uns radelte und unterwegs sagten meine Mutter und ich öfter Dinge wie: "Weißt du noch hier ..."
Das war aber gar nicht traurig, sondern beschwor schöne Erinnerungen und auch jetzt, da ich es niederschreibe, bin ich ehrlich froh meinen Vater mal wieder im Blog erwähnen zu können, ohne in ein Stimmungstief zu verfallen.
Wir hatten uns mit Proviant einer kleinen örtlichen Metzgerei eingedeckt und knabberten bei einer Pause ein paar Scheiben Salami vom Wollschwein.

Scorpione im Dialog
Gengenbach ist eine wahre Augenweide. Das kleine Städtchen versprüht eine Postkartenidylle, die knapp am Kitsch vorbei schrammt. Man könnte auch einfach sagen, es ist superromantisch.
Bekannt ist Gengenbach nicht nur als Heimat unseres Bundesfinanzministers Wolfgang Schäuble, sondern zieht mit seinem weltweit größten Adventskalender internationale Aufmerksamkeit auf sich. Jedes Fenster des Rathauses birgt ein Kunstwerk und wird in einer Zeremonie als Türchen des Kalenders geöffnet.
Wir schlenderten durch die Gässchen und fanden einen entzückenden Laden, in dem wir hübsche Kleider anprobierten. Ich war sehr glücklich, meine Mutter vor dem Spiegel zu sehen, wie sie sich hin und her drehte und nach meiner Meinung fragte. Endlich trägt sie kein Schwarz mehr! Wir plauderten ausgelassen.
Die Inhaberin verzog übrigens keine Miene, wie wir da in unserer Fahrradmontur einmarschierten und behandelte uns zuvorkommend. Das ist nicht selbstverständlich. Was ich manchmal wirklich schade finde, ist wie abschätzig man von manchen LadeninhaberInnen gemustert wird, wenn man in "Fahrradklamotten" erscheint. In manchen Geschäften kann es passieren, dass man nach einem Blick von Kopf bis Fuß einfach kurz abgefertigt wird.
Da wir über fünfzig Kilometer radeln wollten, hatte ich ein typisches Fahrrad-Funktions-T-Shirt-mit-Shorts-und-Turnschuhen-Outfit an. Ich gehe sonst immer öfter dazu über in "normaler Mode" in die Stadt zu fahren. (Bei dem Thema bin ich mir immer etwas unsicher wieviel Interesse das in meiner, laut Statistik, überwiegend männlichen Leserschaft hervorruft. Soll ich dazu mal was schreiben? Fahrrad und Mode und so?)
LiegeradFRAU ganz in Rosa und Lila ...
Mutter und Tochter beim Klamotteneinkaufen - eine herrliche Normalität, die wir lange entbehrt hatten.
Da mein heiß geliebter Strohhut beschlossen hatte, sich aufzulösen, musste noch ein neuer Hut her, der so fest auf dem Kopf sitzt, dass der Fahrtwind ihn beim Radeln nicht herunterwehen kann. Fündig wurde ich in einem Laden mit großer Auswahl. Nun ja, jetzt habe ich einen Hut mit rosa Rand, der tiptop zu meinem lila Outfit passt, wie der Inhaber bemerkte. Ich dachte an dem Tag noch eine Weile über Geschlechterklischees nach, denen ich auch nicht zu entkommen scheine. Deswegen gibt es davon jetzt auch kein Foto 🙂 .

Verwinkelte Gässchen in Gengenbach
Romantisches Ausflugsziel
Der nächste Tag sollte noch schöner werden.
Meine Mutter wusste von einem klitzekleinen Café im Nirgendwo, dessen Ambiente etwas sehr besonderes ist. Der Weg dorthin führt durch eine wunderschöne Landschaft, oft auf großzügigen Radwegen.
Wir radelten bei strahlendem Sonnenschein nach Seelbach am Waldrand entlang.
Als ich bei einer kleinen Pause meinen (neuen rosa) Hut vom Kopf nahm und damit mein Gesicht wieder zum Vorschein kam, grüßten mich Menschen, die ich schon seit zehn Jahren und länger nicht mehr gesehen hatte.
Ich traf auch meinen Deutschlehrer aus der Mittelstufe des Gymnasiums, den ich ansprach. Ich erzählte ihm, dass ich meinen Hang zum Schreiben unter anderem auf diesem Blog auslebe und ich nie vergessen werde, dass er mich immer in meinen Gaben förderte. Lieber Herr N., wahrscheinlich werden Sie diesen Artikel lesen: Herzliche Grüße einer ehemaligen Schülerin, die sich gerne an Sie erinnert.
Wir fuhren weiter durch das Schuttertal, vorbei an saftigen Wiesen mit träge wiederkäuenden Rindern und wurden kaum von Autos behelligt.
Irgendwann ließen wir das letzte Dörfchen hinter uns und kamen an einem Gehege mit Rehen vorbei, die Zuflucht im Schatten suchten. Immer weiter hinauf ging es bis wir schließlich unser Ausflugsziel erreichten.
Mann, ist das schön dort!





Nachmittags waren die Temperaturen auf über dreißig Grad geklettert und wir nahmen den Weg zurück durch den Wald. Das war sehr angenehm und brachte im gedämmten Licht einen besonderen Genuss.
Erst mal schraubten wir uns auf manchmal sehr grobem Schotter einige Höhenmeter nach oben, um anschließend kilometerlang den kühlenden Wind der Abfahrt zu genießen. So ein Scorpion macht wirklich fast alles mit.
Oft schreibe ich darüber wie sehr ich auf meine elektrische Unterstützung angewiesen bin.
Große Teile der beiden Ausflüge radelten wir in der Ebene, und ich war erstaunt wie einfach es ist mit so einem schweren Trike zu fahren, wenn es nur wenige nennenswerte Steigungen gibt. Umgekehrt fiel mir aber auch auf wie bergig ich wohne und dass jede kleine Ausfahrt immer eine Anstrengung bedeutet - selbst mit Motor.
Mein Blick auf das Display am Ende jeden Tages verriet mir, dass ich kaum nennenswerte Akkukapazitäten verbraucht hatte. Wohingegen ich zuhause manchmal schon nach fünfundzwanzig Kilometern gerade noch die Hälfte zur Verfügung habe. Natürlich spielt auch eine Rolle, dass ich ohne Hundeanhänger unterwegs gewesen war.
Ja, wo war denn Emilia eigentlich an diesem Wochenende? Die kleine Maus kommt nun wirklich in die Jahre. Bei solcher Wärme ist sogar der Aufenthalt im Anhänger etwas anstrengend für sie, da sie jetzt einen Herzklappenfehler hat und das Herz sich mehr anstrengen muss. Auch die weite Anreise im Auto und die Aufregung den ganzen Tag über erschöpfen sie zunehmend. Also war sie bei ihrer Gastfamilie untergebracht, wo sie es schön ruhig hat und den ganzen Tag über nach Strich und Faden verwöhnt wird.
Was für ein wunderschönes Trike-Wochenende ich erleben durfte.
Am meisten Glück aber verspürte ich darüber, dass meine Mutter und ich so unbekümmert lachend auf den Trikes sitzen konnten und spürten: Die schlimmste Trauer ist überwunden, das Leben bietet wieder viel Wundervolles für uns und mein Vater fährt als blinder Passagier etappenweise mit uns mit, aber mit frohem Herzen und nicht die ganze Zeit über.
Danke Leben.
Danke Mutter, für ein unvergleichliches Wochenende.
Und einfach danke, dass du da bist.