Eduard Belser ist nach der Testfahrt von der Pinion-Schaltung so begeistert, dass sein Pedelec damit nachgerüstet wird. HP Velotechnik kam dem vielfachen Wunsch ihrer KundInnen nach und bietet die Pinion-Schaltung nun auch für
seine Liege(drei)räder an.
Hier teilt Eduard Belser mit uns seine Erfahrungen.
Begeisternde Pinion C1.12-Schaltung
Gastbeitrag von Eduard J. Belser
Am 22. November 2017 war es soweit. Am Vorabend kam vom Radhaus in Freiburg die Nachricht, dass der HP Scorpion fx 26“ mit GoSwiss Drive-Antrieb und Pinion C1.12- Tretlagerschaltung für die vereinbarte Probefahrt bereit stehe.
Die Wetterprognose verhiess warmes, trockenes Herbstwetter. Am Morgen fuhr ich mit der Bahn nach Freiburg zum Radhaus. Dort folgte das erste Probesitzen mit dem niedrigen Netzsitz und der Frust, dass ich von diesem nicht ohne fremde Hilfe aufstehen konnte. Nach dem Wechsel auf den höheren Netzsitz, den HP Velotechnik zum Glück mitgeschickt hatte, klappte es mit dem Aufstehen. Trotz Einfederns des Hinterrades.
Optischer Eindruck
Gegenüber der ursprünglichen, mit einem Gehäuse aus gefrästem Alu ausgerüsteten P-Linie, wirkt die neue C-Linie mit Gehäuse aus Magnesiumdruckguss auch in Natura deutlich zierlicher und eleganter. Deshalb liegen die Pedale seitlich näher beieinander (fachchinesisch: Q- Faktor 166 mm), was der Ergonomie zugute kommt und die seitliche Belastung des Tretlagerauslegers vermindert.
Urheberrechte der folgenden drei Fotos: Pinion GmbH - mit freundlicher Genehmigung
Quelle: https://pinion.eu/presse/
HP Velotechnik hat die Pinion-Schaltung um 180° gedreht montiert. Mit der Unterseite nach oben, am Tretlagerausleger aus dickwandigerem Alu-Rohr. So lassen sich die Schaltzüge ohne Umlenkung nach hinten führen. Die mattschwarze Schaltung ist perfekt in den ebenfalls mattschwarzen Tretlagerausleger integriert.
Auffallend ist das mit 46 Zähnen recht grosse Kettenrad mit Hosenschutzscheiben vorn an der Schaltung. Hinten fallen das mit 36 Zähnen – bei 20“-Hinterräder 28 Zähne – sehr grosse Ritzel und der hochwertige Kettenspanner mit den grossen Rollen auf. Die grossen Durchmesser dieser Teile der Kettenführung schonen die Kette.
Der ganze Antriebsstrang wirkt sorgfältig durchgestaltet, präzise verarbeitet, edel und aus einem Guss. Ein Augenweide und ein velotechnischer Leckerbissen! Im ersten Augenblick hat mich irritiert, dass sich die Pedalen wegen des zusätzlichen Freilaufs in der Pinion-Schaltung rückwärts drehen lassen, ohne dass sich die Kette mitbewegt.
Fahreindruck
Zuerst ging es in der Ebene auf ruhigen Strassen durch Freiburg Herdern, um ein Gefühl für die im Vergleich zu meinem Gekko ungewöhnlich hohe Sitzposition, die gekoppelten Vorderradbremsen und die Schaltung zu entwickeln. Auch bei hoher Geschwindigkeit bleibt die Tretfrequenz im angenehmen Bereich. Die gleichmässig abgestuften Gänge lassen sich leicht und präzise schalten und rasten fühlbar ein.
Der von HP Velotechnik verlängerte Drehgriff der Schaltung ist angenehm zu bedienen. Beim Schalten muss, wie auch bei der Rohloff-Schaltung, etwas Druck von den Pedalen genommen werden, aber daran gewöhnt man sich rasch. Da das Getriebe noch nicht eingefahren war, war es noch nicht ganz so geräuschlos, wie erwartet, aber darauf wird in der Anleitung ausdrücklich hingewiesen.
Danach wagte ich mich in die Hügel durch die Villenquartiere unterhalb des Hotels Merkur und dann hinauf zum Restaurant Dattler am Schlossberg. Dort blieb ich in einer sehr steilen Haarnadelkurve fast stecken, weil ich aus Versehen einen zu hohen Gang einlegte.
Die Steigfähigkeit im ersten Gang und der Unterstützungsstufe 5 des GoSwiss Drives ist beeindruckend und genügt auch meinen hohen Ansprüchen. Die Pinion-Schaltung und der kräftige GoSwiss Drive arbeiten perfekt zusammen. Auf die Kette wirkt nur die Muskelkraft. Die Kraft des Motors wird direkt ins Hinterrad geleitet. Das schont Tretlagerausleger, Rahmen, Kettenführung und Kette.
Entfaltungen im Vergleich (zurückgelegte
Strecke je Pedalumdrehung)
mit 20“-Hinterradd:
Pinion C1.12 12-Gang Tretlagerschaltung
XT 27-Gang Kettenschaltung
Rohloff Speedhub 500/14 (mit 26“-Hinterrad 1,71 – 9,00 m)
Shimano Steps-Antrieb mit automatischer Nexus/Di2 8-Gang Nabenschaltung
1,35 – 8,21 m
1,76 – 8,20 m
1,45 – 7,63 m
2,19 – 6,64 m
Vergleich der Pinion-Schaltung mit anderen Schaltungen
Der Vergleich zeigt, dass die Spanne zwischen der kleinsten Entfaltung für das Bewältigen steiler Steigungen und der grössten Entfaltung für schnelles Fahren in der Ebene bei der Pinion-Schaltung am grössten ist. Die 27 Gänge der Kettenschaltung täuschen, viele davon überschneiden sich und bringen damit keinen praktischen Nutzen. Zudem lässt sich eine Kettenschaltung nicht im Stand schalten, was bei Liegetrikes/Liegerädern besonders nachteilig ins Gewicht fällt. Andererseits lässt sich die Kettenschaltung auch unter Volllast schalten. Bei den Tretlager- und Nabenschaltungen muss dafür der Pedaldruck etwas zurückgenommen werden.
Die mit dem von HP Velotechnik ebenfalls lieferbaren Shimano Steps-Antrieb kombinierte Nexus-Nabenschaltung schneidet am schlechtesten ab, d.h. sie ist eher für flacheres Gelände und weniger ambitionierte FahrerInnen geeignet. Dafür schaltet sie beim Anhalten automatisch in einen vorwählbaren, tiefen Gang zum Anfahren herunter, was sehr komfortabel ist. Die ebenfalls gut abschneidende, hochwertige 14-Gang Nabenschaltung von Rohloff lässt sich leider konstruktionsbedingt nicht mit dem GoSwiss Drive-Antrieb und derzeit auch nicht mit dem Shimano-Steps-Antrieb einsetzen.
Wartungsaufwand und Wirkungsgrad
Beim Wartungsaufwand sind Tretlager- und Nabenschaltungen, bei denen das ganze Getriebe vor Wasser und Staub geschützt und gekapselt im Ölbad läuft, gegenüber der Kettenschaltung klar im Vorteil. Das brutale Hin- und Herwürgen beim Gangwechsel über die ungeschützt Wasser und Staub ausgesetzten Zahnkränze, lässt die Kette vergleichsweise rasch verschleissen.
Auch ist das bei 20“-Hinterrädern besonders tief herunterhängende Schaltwerk anfällig auf Beschädigungen. Zudem können bei den Tretlager- und Nabenschaltungen breitere und damit solidere Ketten verbaut werden. Bei konventionellen Velos können alternativ statt der Kette die besonders wartungsarmen Zahnriemen eingesetzt werden.
Beim 20" Hinterrad ist das Schaltwerk nur wenige Zentimeter über der Fahrbahn.
Der Wirkungsgrad ist bei – aber nur bei regelmässig gut gewarteten – Kettenschaltungen am besten, mit geringem Abstand folgen die hochpreisigen Schaltungen von Pinion und Rohloff. Merklich schlechter ist er bei der preiswerteren Nexus-Schaltung.
Beim System Velo-Mensch ist der Mensch bei weitestem die gewichtigste Komponente, weshalb kleinliche Vergleiche von leichteren und schwereren Schaltungen für die Praxis unerheblich sind.
Unterm Strich schneidet bei mir in allen Belangen die kostenintensive Pinion-Schaltung am besten ab. Sie lässt sich problemlos nachträglich mit dem GoSwiss Drive Hinterradantrieb verbinden. Auch deshalb lohnt sich diese Investition aus meiner Sicht doppelt.
Der Mehrpreis von EUR 1’290.– bis 1’590.– ist angesichts der hohen Qualität, des gebotenen Komforts und der geringen Wartungskosten der Pinion-Schaltung gerechtfertigt. Das Nachrüsten ist noch etwas teurer als die Ausrüstung ab Werk, da der Tretlagerausleger und Teile der bestehenden Kettenführung ersetzt werden müssen.
Der neue Tretlagerausleger mit der Pinion-Schaltung kann grundsätzlich bei allen neueren Räder von HP Velotechnik nachgerüstet werden. Sicherheitshalber sollte aber doch mit der Rahmennummer im Krifteler Werk nachgefragt werden.
Gekko bekommt Pinion-Schaltung
Mein Entscheid war rasch gefällt:
Die Kettenschaltung am GoSwiss Drive Motor wird durch die Pinion-Schaltung am Tretlager ersetzt.
Leider werde ich dann auf den zweigängigen, mit den Fersen bequem zu schaltenden Schlumpf HighSpeedDrive am Tretlager verzichten müssen. Aber das lässt sich verschmerzen.
Nach dem Zurückbringen des Scorpions habe ich mit Bea gleich das weitere Vorgehen besprochen. Noch am Abend habe ich die Zusatzwünsche bei der Beleuchtung, nach einem grösseren Rückspiegel und einem neuen Warnwimpel nach Freiburg gemailt. Am nächsten Morgen hatte ich bereits die Kostenzusammenstellung für das Material und konnte die Anzahlung für die Materialbestellung auslösen.
Das Material ist bei HP Velotechnik bestellt und wird beim Radhaus für mich bereitgehalten. Sobald einige trockene, wärmere Frühlingstage angesagt sind, werde ich den Gekko nach Freiburg zum Umbau fahren und den Rückweg, mit dem neuen Pinion-Schaltgefühl, doppelt geniessen.
Mein herzlicher Dank gilt HP Velotechnik, die den Scorpion zur Verfügung stellten und dem Radhaus-Team mit Bea, Harry und Marc, die sich um mich und den Scorpion, wie gewohnt, engagiert und professionell kümmerten.
Eduard J. Belser
Dipl.-Ing. ETH
Begeisterter HP Velotechnik Gekko-Fahrer, lebt in einem Dorf am Jurasüdfuß zwischen Olten und Solothurn in der Schweiz.
Er befasst sich professionell mit historischen Verkehrsmitteln wie Pferdefuhrwerke, Eisenbahnen und Dampfschiffe und bereist gerne historische Städte per Bahn.
Samstags kauft der leidenschaftliche Hobby-Koch und Feinschmecker in Solothurn (Zitat: "die schönste Barockstadt der Schweiz") frisch auf dem Markt ein, am liebsten mit seinem motorisierten Gekko. Fastfood und lieblos verkochte Gerichte sind ihm ein Graus.
Eduard liebt klassische Musik, die mediterrane Küche und guten Wein.
Was er nicht besonders mag ist Fliegen und Auto fahren (aber mit einem Zeppelin würde er sehr gerne mal über den Bodensee "fliegen").