Norwegen – Idylle und Radlerschreck

 

Norwegen –  Land der deutschen Träume

 

IMG_0580Wann immer ich erzähle, dass ich einen norwegischen Mann habe und fast jeden Monat dort bin, um zu unterrichten, reagieren die Deutschen fast alle so:

“Oooohhhhh, Noooorwegennnnn, wie schön! Die Landschaft….wir waren auch mal mit dem Schiff…..” Jeder scheint mal dort gewesen zu sein oder wollte schon immer mal und kann auch nicht verstehen, warum wir in Deutschland wohnen, wo doch Norwegen so ein schönes Land ist.

Die deutschen Radfahrer reagieren fast alle so:

“Oooohhhhh, Noooorwegennnnn, ich wollte schon immer an das Nordkap.”
Manchmal auch: “Ich habe da einen Bekannten, der radelte ans Nordkap….”

Maria Jeanne am FjordEs ist wahr, Norwegen bietet eine atemberaubende Landschaft und hat wunderschöne Fjorde.

Aber es gibt nur wenige Fahrradwege und meist fahren RadlerInnen mit den Autos auf engen, kurvenreichen Straßen, wo Autofahrer mitunter gar nicht mit Fahrrädern rechnen und diese erst spät erkennen, wenn sie um die Kurve kommen. Eine Radreise zum Nordkap ist nicht sehr entspannend und selbst sehr einfache Unterkünfte kostspielig. Da die Norweger einen hohen Lebensstandard genießen, sind die Lebenshaltungskosten sehr hoch und auch Lebensmittel und Getränke sind für unsere Verhältnisse ziemlich teuer.

Wenn du die Begriffe “Nordkap Fahrrad” in Google eingibst, erscheinen zahllose Webseiten mit Reiseangeboten, aber auch Reiseberichte mit vielen Fotos. Achte einmal genau auf die Bilder, sie zeigen die wilde Natur nur im Zusammenhang mit Mountainbikes, die querfeldein über felsige Berge fahren. Die klassischen Reiseradler sind meistens auf Landstraßen ohne Radwege abgelichtet, wenngleich natürlich nie ein Auto zu sehen ist.

Wenn die Reiseroute durch dünn besiedeltes Gebiet führt, ist der Autoverkehr nicht sehr problematisch, deswegen würde ich darauf auf jeden Fall achten, damit die Radreise auch ein Genuss wird.

 

 

Deutsche sind beliebt

Was außer der Landschaft in Norwegen auch schön ist, ist die Tatsache, dass wir Deutschen dort willkommen sind. Die meisten Norweger freuen sich, wenn sie Deutsche treffen und die Generation 50+ spricht unsere Sprache, weil sie Deutsch als zweite Fremdsprache in der Schule lernten.

Die Kommunikation ist dort ohnehin kein Problem, weil alle sehr gut Englisch sprechen, sehr viel besser als wir, denn die amerikanischen Filme werden in Norwegen nicht synchronisiert, sondern in Originalsprache mit norwegischem Untertitel gezeigt. So lernen schon die kleinen Kinder Englisch und haben eine sehr gute Aussprache.

Berüchtigt sind aber auch jene Deutsche, die mit ihren Wohnmobilen und -anhängern den Verkehr lahmlegen und in ihren Lidltüten alle Lebensmittel selbst mitbringen, deren Verpackungen sie bei der Abreise bergeweise in der Natur zurücklassen, nebst Tüten.

 

Wochenende am Fjord

 

Mari Jeanne & Paul in Son / NorwegenIch werde das kommende Wochenende in “Son” (Aussprache Suhn) verbringen, das ist 50 km südlich von Oslo. Es ist ein kleiner Ort mit einem Hafen und engen Gässchen.

In Norwegen sind Liegeräder noch viel seltener anzutreffen als hierzulande und nicht selten höre ich, dass jemand noch nie eines gesehen hat, wenn ich von unseren Scorpions erzähle. Manche Norweger, die mich kennen, schauen sich die YouTube Videos an, die ich mit dem Liegedreirad drehe und staunen, weil sie noch nie ein Liegerad gesehen haben.

Wenn du einmal planst, in Norwegen eine Radreise zu unternehmen, solltest du also unbedingt deine Route sehr sorgfältig planen und auf wenig befahrenen Straßen fahren. Ich empfehle dir außerdem, schon jetzt mit dem Sparen anzufangen, denn du wirst ziemlich viel Geld brauchen für Lebensmittel und Unterkunft.

Und unbedingt erwähnen muss ich noch: Über Geschmack lässt sich ja bekanntlich streiten, aber kulinarisch solltest du deine Erwartungen sehr gering ansetzen. Was die Norweger allerdings wirklich gut können, sind Fischgerichte zubereiten. Allerdings rate ich dringend von einer sehr verbreiteten nationalen Spezialität ab, dem “Rakfisk” oder “Rakefisk”, je nach Dialekt. Offiziellen Beschreibungen nach handelt es sich dabei um “fermentierten Fisch”. In der Praxis bedeutet das oft, dass der Fisch vergraben wird, um nach ein paar Wochen wieder ausgegraben zu werden.

Doch zum Glück gibt’s diese Leibspeise traditionell zu Weihnachten, da werden wohl kaum irgendwelche arglosen RadlerInnen Norwegen erkunden wollen. Damit erklärt sich auch der teilweise recht hohe Konsum an “Aquavit”, der mit dem Rakefisk einhergeht. Paul sagt, dass der Geschmack und vielleicht auch der Gedanke an drei Monate verrottetem Fisch nur mir reichlich Schnaps zu ertragen wäre.  Na dann – Prost und ähhh… Mahlzeit!

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Streetmachinist - 2. März 2015 Reply

Hallo Maria,

aus den von dir erwähnten Gründen habe ich letzten Sommer ja die Weiterfahrt von Flåm nach Bergen ‘abgesagt’. Auf den paar Kilometern von Geilo nach Haugastøl wären wir auch ein paar Mal fast als Roadkill geendet. Da war der verkehrsfreie Rallarvegen eine Wohltat 😀 Leider kann man die Verkehrsbelastung auf der Karte nicht einfach ablesen. Bei einem nächsten Versuch würde ich mir auf jeden Fall die Arbeit machen und ortskundigen Rat einholen.

Was ich auch bestätigen kann, ist die Neugier der Norweger auf Liegeräder. Ich habe rigeros Rede und Antwort stehen müssen 😀 Manche zweifelten sogar daran, dass man damit fahren könne. Dann auch noch den Rallarvegen? Das war zuviel des Guten 😉

Trotzdem möchte ich jedem empfehlen, ‘Norge’ mal zu bereisen und die Nordmenn kennen zu lernen. Ein wirklich sehr sympathisches Volk.

Gruß … Lars

    Maria Jeanne Dompierre - 3. März 2015 Reply

    Hallo Lars,

    ja, ich erinnere mich an deinen Trip nach Norwegen. Auf einem Liegeradtreffen hattest du mir von deinen Plänen erzählt und du hattest dich so sehr darauf gefreut, dass ich es nicht übers Herz brachte, meine Einwände zu formulieren.

    Die Norweger sind uns von der Mentalität her ziemlich ähnlich, auch wenn sie manch deutsche Gepflogenheit zum Schmunzeln bringt (so lachen sie sich kaputt über unsere Manie, gleich das Licht wieder auszuschalten, sobald wir einen Raum verlassen. Strom sparen ist dort unbekannt, weil er so wenig kostet, denn die Wasserkraft produziert im Übermaß. Nur bei Trockenheit steigen die Preise an. Auf den Ölplattformen hängen deswegen Schilder, die die Deutschen dazu auffordern, das Licht bitte brennen zu lassen, das nervt die Besatzung dort. Und auch sonst sieht man in der dunklen Jahreszeit überall munter die Lichter brennen, die Außenbeleuchtungen sind die ganze Nacht an 🙂 ), aber sie mögen uns. Eines der wenigen Völker übrigens, die die deutsche Besatzungszeit aus dem Zweiten Weltkrieg nicht häufig thematisieren und es verziehen haben.

    Dass sich die Nordleute oft auf dein Liegerad angesprochen haben, glaube ich sofort. Ich kann mir ziemlich gut vorstellen, wie sie sogar zweifeln, dass man so etwas fahren kann 🙂

    Eine Reise ist auf jeden Fall ein schönes Erlebnis, nur halt nicht gerade mit dem Fahrrad oder wenn, dann eher mit dem Mountainbike.

    Aber bitte dann die mit Lebensmittel gefüllten Discountertüten zuhause lassen 😀 , das kommt gar nicht gut an. Die Umweltverschmutzung ist das eine Argument, aber das Bild, das manche Norweger von deutschen Touristen haben, ist:

    Erst verstopfen sie mit ihren übergroßen Wohnmobilen die Straßen und man muss auf gebirgigen Kurven hinter ihnen herschleichen (weil sie außerdem Angst haben, fahren sie noch langsamer als nötig) und dann verdient die hiesige Tourismusbranche auch noch sehr wenig, weil Unterkunft und Lebensmittel mitgebracht werden (weil die Preise so hoch sind) und nur wenig Umsatz fließt. Und zum Dank lassen die dann auch noch ihren ganzen Müll in der Landschaft liegen.

    Das erinnert mich immer daran, wie manche Deutsche auf die Holländer schimpfen, wenn die in der Urlaubszeit die Autobahnen mit ihren Wohnwägen bevölkern 😀

    Deine Idee, dich vorher zu erkundigen und nicht nur auf die Literatur zu vertrauen, ist gut. Mit guter Planung kannst du auf jeden Fall den Genuss noch sehr viel mehr ausbauen, wenn wieder die Fjorde rufen.

      Streetmachinist - 5. März 2015 Reply

      Zum Trip selbst: So schlimm war das im Prinzip gar nicht. Der Rallarvegen war die ‘Hauptattraktion’ und hat meine Erwartungen mehr als übertroffen. Wir haben die Weiterfahrt dann einfach durch einen 2-Tage-Aufenthalt in Flåm und einer Express-Fährfahrt nach Bergen ersetzt. War auch ein Erlebnis.
      Zum Licht: Ob du es glaubst, oder nicht: Das war das erste, was uns aufgefallen ist. Außerdem haben wir auch überdurchschnittlich viele E-Autos gesehen, besonders Tesla Model S waren sehr viele vertreten. Weil ich neugierig bin, habe ich mich erkundigt und gelesen, dass viele Geschäfte nicht mal einen Lichtschalter haben 😀
      Zu den Leuten: Es hat ein wenig gedauert, bis wir uns an das allseits gehörte “hai-hai” gewöhnt hatten, aber es war sehr sympathisch. Überhaupt haben wir uns immer sehr wohl gefühlt.
      Zum Rest: Ich gebe zu, auch wir hatten uns mit Lebensmitteln eingedeckt, um die Kosten zu dücken. Allerdings haben wir die Müllbehälter immer brav ihrer Bestimmung zugeführt 😀 Schon aus Respekt vor der Natur war das für uns selbstverständlich.

      Ich werde Norwegen auf jeden Fall nochmal besuchen. Ob mit oder ohne Rad, weiß ich noch nicht.

      Gruß … Lars

        Maria Jeanne Dompierre - 6. März 2015 Reply

        Das mit dem Licht muss uns einfach auffallen, ich habe mich bis heute noch nicht daran gewöhnt, einfach alles an zu lassen 🙂
        (Leider Paul sich auch nicht daran, immer alles auszuschalten….)

        Ja, die E-Autos sind wirklich dominant dort. In keinem europäischen Land hat Tesla so viele Autos in Proportion zu den Einwohnern abgesetzt wie in Norwegen. Staatlicher Belohnung sei Dank, ist die Elektromobilität sehr attraktiv.

        Ich würde viele Lebensmittel auch mitnehmen, wenn ich auf Tour ginge. Wie schon im Beitrag erwähnt, finde ich nur wenig Freude an der Esskultur und außerdem sind die Preise nun nicht nur ein bisschen teurer, sondern SEHR. Wenn ich für einen viertel Liter Mineralwasser schon sieben Euro bezahle, kann man sich den Rest leicht ausrechnen…obwohl, jetzt wäre eine gute Zeit Euro in norwegische Kronen umzutauschen.

        Die Norweger verdanken ihren sagenhaften Wohlstand ja fast ausschließlich ihrem Erdöl. Seit die Preise so fallen, ist auch die Währung gegenüber dem Euro schwächer geworden. Allerdings kenne ich auch Leute, die nun um ihren Arbeitsplatz bangen, weil die Ölplattformen ihre Kapazitäten herunterfahren 🙁

Hermann - 4. März 2015 Reply

Hach – in den Chor “Ich (oder wir) war(en) auch schon da” kann ich mit einstimmen. Sommer, Herbst und Winter. Allerdings immer “på hytte”. Neben den oben schon angesprochenen Sachen fand ich die Hilfsbereitschaft immer sehr eindrucksvoll. Ich erinnere mich an den ersten Winterurlaub: wir stehen am Straßenrand, um die Schneeketten aufzuziehen. Hatte ich zwar einmal geübt, war aber wohl nicht gut genug 😉 Kommt ein Norweger den Berg runtergefahren, hält an und erkundigt sich, was anliegt. Kaum gesagt, sprang er schon aus seinem Auto und mit einigen geübten Handgriffen saßen die Ketten drauf. Das ging natürlich nicht ohne verschmutzte Kleidung ab. War ihm aber völlig egal. Wir hatten kaum Zeit, uns zu bedanken. Gerade fertig, ein kurzer Gruß und er sprang in sein Auto und düste ab. Und es gab noch andere Geschichten – das sprengt den Rahmen hier. Als nach dem ersten Urlaub klar war, das wir öfter kommen würden, habe ich angefangen, die Sprache zu lernen (halte ich einfach aus Respekt den “Einheimischen” ggü. für wichtig. Und Sprachen sind mir schon immer leicht gefallen 😉 ).

Auch sonst hat mich die Herzlichkeit der Menschen sehr angesprochen. Leider ergab sich seit Beginn der 2000er Jahre nach 12 Aufenthalten keine Gelegenheit mehr – die wirtschaftliche Basis war weggebrochen. Und teuer ist´s ja allemal.

Jetzt rückt die Möglichkeit aber wieder in greifbare Nähe. Spätestens im übernächsten Jahr ist es soweit.

Aber – um den Bogen zum triken zu spannen – eine Trikefahrt wirds wohl nicht werden. Aufgrund des jetzigen Handicaps und des Anthro´s ohne E-Unterstützung läuft da nix. Allenfalls mal eine Dänemark-Rundfahrt 😉

Wie auch immer: danke für´s “wieder mal erwecken” der Erinnerungen.

Ha det bra!
Hermann

    Maria Jeanne Dompierre - 4. März 2015 Reply

    Hallo Hermann,

    da sprühen die Funken der Begeisterung förmlich aus dem Textkästchen! Danke für deine schöne Anekdote 🙂

    Ja, die Norweger sind schon liebenswerte Leute, das ist wahr.

    In Dänemark radelt es sich mit Sicherheit sehr viel unbekümmerter, zumal mit dem Dreirad.

    Ich hoffe sehr, dass du deine Reisepläne nach Norwegen realisieren kannst und drücke dir die Daumen.

    Ha det bra og tusen takk!

Michael Grüber - 20. Mai 2015 Reply

Hallo,
deine Beschreibung klingt etwas ernüchternd… Obwohl ich es mir mit meiner GreenMachine eh nicht zutrauen würde, diese bergige Strecke samt Anhänger zu fahren.
Gerade ist Andrew Sykes unterwegs von Gibraltar zum Nordkapp…Zur Zeit in Frankreich…
http://www.cyclingeurope.org

Ich für meinen Teil bevorzuge ja den Süden, nachdem es mich letztes Jahr auf dem weg von Berlin via Frederica nach Copenhagen nicht selten ‘bewässert’ hat.
Aber die Landschaften in Norwegen sind natürlich nicht mit Frankreich zu vergleichen…

    Maria Jeanne Dompierre - 20. Mai 2015 Reply

    Abhalten möchte ich natürlich niemanden, der Norwegen gerne per Rad erkunden möchte. Und die Landschaft ist wahrhaft wunderschön. Im Vergleich zum Süden ist es eher rau, mit vielen Felsen, sehr urtümlich, weil es nicht so sehr vom Menschen verändert wurde.

    Da kommt jemand mit dem Mountainbike voll auf seine Kosten, aber das Liegerad ist da eher eine Herausforderung.

    Und du erwähnst das so schön: Das Wetter ist im Norden auch unberechenbar. Es regnet viel mehr und der Wind ist kräftiger als bei uns oder noch weiter südlich.

    Ich z.B. liebe gerade diesen kräftigen Wind, das fand ich auch in Schottland an der Küste toll. Nur nicht mir dem Liegerad stundenlang auf Tagestour 🙂

    Danke für den Link, ich schaue gleich mal nach.

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