Norwegen – Land der deutschen Träume
Wann immer ich erzähle, dass ich einen norwegischen Mann habe und fast jeden Monat dort bin, um zu unterrichten, reagieren die Deutschen fast alle so:
“Oooohhhhh, Noooorwegennnnn, wie schön! Die Landschaft….wir waren auch mal mit dem Schiff…..” Jeder scheint mal dort gewesen zu sein oder wollte schon immer mal und kann auch nicht verstehen, warum wir in Deutschland wohnen, wo doch Norwegen so ein schönes Land ist.
Die deutschen Radfahrer reagieren fast alle so:
“Oooohhhhh, Noooorwegennnnn, ich wollte schon immer an das Nordkap.”
Manchmal auch: “Ich habe da einen Bekannten, der radelte ans Nordkap….”
Es ist wahr, Norwegen bietet eine atemberaubende Landschaft und hat wunderschöne Fjorde.
Aber es gibt nur wenige Fahrradwege und meist fahren RadlerInnen mit den Autos auf engen, kurvenreichen Straßen, wo Autofahrer mitunter gar nicht mit Fahrrädern rechnen und diese erst spät erkennen, wenn sie um die Kurve kommen. Eine Radreise zum Nordkap ist nicht sehr entspannend und selbst sehr einfache Unterkünfte kostspielig. Da die Norweger einen hohen Lebensstandard genießen, sind die Lebenshaltungskosten sehr hoch und auch Lebensmittel und Getränke sind für unsere Verhältnisse ziemlich teuer.
Wenn du die Begriffe “Nordkap Fahrrad” in Google eingibst, erscheinen zahllose Webseiten mit Reiseangeboten, aber auch Reiseberichte mit vielen Fotos. Achte einmal genau auf die Bilder, sie zeigen die wilde Natur nur im Zusammenhang mit Mountainbikes, die querfeldein über felsige Berge fahren. Die klassischen Reiseradler sind meistens auf Landstraßen ohne Radwege abgelichtet, wenngleich natürlich nie ein Auto zu sehen ist.
Wenn die Reiseroute durch dünn besiedeltes Gebiet führt, ist der Autoverkehr nicht sehr problematisch, deswegen würde ich darauf auf jeden Fall achten, damit die Radreise auch ein Genuss wird.
Deutsche sind beliebt
Was außer der Landschaft in Norwegen auch schön ist, ist die Tatsache, dass wir Deutschen dort willkommen sind. Die meisten Norweger freuen sich, wenn sie Deutsche treffen und die Generation 50+ spricht unsere Sprache, weil sie Deutsch als zweite Fremdsprache in der Schule lernten.
Die Kommunikation ist dort ohnehin kein Problem, weil alle sehr gut Englisch sprechen, sehr viel besser als wir, denn die amerikanischen Filme werden in Norwegen nicht synchronisiert, sondern in Originalsprache mit norwegischem Untertitel gezeigt. So lernen schon die kleinen Kinder Englisch und haben eine sehr gute Aussprache.
Berüchtigt sind aber auch jene Deutsche, die mit ihren Wohnmobilen und -anhängern den Verkehr lahmlegen und in ihren Lidltüten alle Lebensmittel selbst mitbringen, deren Verpackungen sie bei der Abreise bergeweise in der Natur zurücklassen, nebst Tüten.
Wochenende am Fjord
Ich werde das kommende Wochenende in “Son” (Aussprache Suhn) verbringen, das ist 50 km südlich von Oslo. Es ist ein kleiner Ort mit einem Hafen und engen Gässchen.
In Norwegen sind Liegeräder noch viel seltener anzutreffen als hierzulande und nicht selten höre ich, dass jemand noch nie eines gesehen hat, wenn ich von unseren Scorpions erzähle. Manche Norweger, die mich kennen, schauen sich die YouTube Videos an, die ich mit dem Liegedreirad drehe und staunen, weil sie noch nie ein Liegerad gesehen haben.
Wenn du einmal planst, in Norwegen eine Radreise zu unternehmen, solltest du also unbedingt deine Route sehr sorgfältig planen und auf wenig befahrenen Straßen fahren. Ich empfehle dir außerdem, schon jetzt mit dem Sparen anzufangen, denn du wirst ziemlich viel Geld brauchen für Lebensmittel und Unterkunft.
Und unbedingt erwähnen muss ich noch: Über Geschmack lässt sich ja bekanntlich streiten, aber kulinarisch solltest du deine Erwartungen sehr gering ansetzen. Was die Norweger allerdings wirklich gut können, sind Fischgerichte zubereiten. Allerdings rate ich dringend von einer sehr verbreiteten nationalen Spezialität ab, dem “Rakfisk” oder “Rakefisk”, je nach Dialekt. Offiziellen Beschreibungen nach handelt es sich dabei um “fermentierten Fisch”. In der Praxis bedeutet das oft, dass der Fisch vergraben wird, um nach ein paar Wochen wieder ausgegraben zu werden.
Doch zum Glück gibt’s diese Leibspeise traditionell zu Weihnachten, da werden wohl kaum irgendwelche arglosen RadlerInnen Norwegen erkunden wollen. Damit erklärt sich auch der teilweise recht hohe Konsum an “Aquavit”, der mit dem Rakefisk einhergeht. Paul sagt, dass der Geschmack und vielleicht auch der Gedanke an drei Monate verrottetem Fisch nur mir reichlich Schnaps zu ertragen wäre. Na dann – Prost und ähhh… Mahlzeit!