Das kleine Mädchen fragte seine Mutter mit großen Augen als es mir hinterher sah und lachte dabei vergnügt.
Vorgestern wollte ich unbedingt die wärmende Sonne genießen, da sich der Herbst nun doch sehr deutlich ankündigt. Ich wählte eine lange Route in die Stadt, durch den Wald und über asphaltierte Feldwege und war ganz versunken, während ich die warme Sonne auf der Haut und den Fahrtwind im Gesicht genoss.
“Wie lange ich wohl noch im T-Shirt fahren kann”, fragte ich mich und drosselte das Tempo, weil Emilia sehr gemütlich hinter dem Anhänger herzottelte und ihre Nase zum zehnten mal in einen Grasbüschel steckte. Ich runzelte die Stirn – mit 6 km/h trödelten wir vor uns hin, aber was soll’s, ich habe meinen Hund total lieb und freue mich, wenn ich sehe wie sehr sie es genießt, wenn sie auch mal tun kann was ihr gefällt.
Ich glaube, dass alle LiegeradfahrerInnen an die erstaunten und amüsierten Blicke der Menschen gewöhnt sind, die sie auf ihren Fahrten immer verfolgen. Aber es gibt Tage, an denen werde ich sehr oft angesprochen oder (aus-)angelacht. Und gestern war so ein Tag. Viele Kinder brachen in Gekicher aus und zeigten mit ihren Fingern auf mich und im Wald rief mir eine junge Frau hinterher: “Hallo! Entschuldigung! Haaaallooooo!” Das konnte ich nicht ignorieren. Sie wollte wissen was das Scorpion kostet, denn “ich kann kein Fahrrad fahren.” Da ich nun aber wirklich weiter wollte und der Hund sogar schon vorauslief, fragte ich nicht nach dem Grund und gab geduldig Auskunft.
Ich fädelte mich geschickt durch eine Baustelle auf dem Radweg und ließ den Kommentar des Bauarbeiters ohne Erwiderung: “Da möchte man auch gerne Hund sein”, denn Emilia lag nun gemütlich in ihre Decken gekuschelt im Anhänger.
Ich hatte einen Termin bei einer Therapeutin zur gemeinsamen Fallbesprechung und parkte das Scorpion in einer Garage. Als ich später wieder losfahren wollte, musste ich noch kurz etwas in die Tasche legen. Da der Hof ganz eben verlief, überlegte ich kurz, ob ich die Parkbremse anziehen sollte oder darauf verzichten könnte. Ich entschied, dass es unnötig sei.
Muss das Rad wieder in die Werkstatt?
Seit ich mein Liegedreirad wieder mit voll funktionstüchtigem Motor habe, bin ich selig darüber wie sehr er mich bei Anstiegen unterstützt und wie leicht sich nun auch die Gangschaltung wieder betätigen lässt. Geraume Zeit vor der Reparatur war ich nämlich ohne Unterstützung gefahren und hatte mich streckenweise sehr abkämpfen müssen.
In Gedanken an das Gespräch in der Praxis fuhr ich los und merkte, dass mich etwas irritierte. Ich war mit einem nicht mal halbvollen Akku von zuhause losgeradelt und guter Dinge, dass der Strom für die Rückfahrt ausreichen würde, da ich den Motor erst dann einschalten würde. Nun aber merkte ich, dass mein Rad irgendwie blockiert war.
“Mein Gott, wie langsam ich bin”, denke ich “Warum ist das denn so anstrengend? Es geht doch kaum bergauf!” Vielleicht war was mit dem Anhänger. Ich steige ab und sehe nach. Hebe jedes Rad hoch und bewege es, nein daran liegt es nicht. Was habe ich denn geladen? So schwer können doch die Unterlagen, die ich mitgenommen habe, nicht sein. Bin ich heute so schlapp, oder was ist da los?
Und dann: “Oh nein, es ist wieder was am Liegedreirad!” Ich spüre wie Ärger in mir aufflammt. Nicht schon wieder, jetzt hatte ich doch das Scorpion erst zwei Mal in der Werkstatt. Zuerst, um einen Ersatzmotor einbauen und danach, um den neuen wieder einsetzen zu lassen.
Es hilft nichts, ich muss den Motor einschalten, weil es ganz schön anstrengend wird. Aber den Strom brauche ich doch für den Nachhauseweg, wenn ich jetzt schon anschalte, wie weit komme ich dann? Und außerdem: Wenn ich bei dieser Ministeigung schon schlapp mache, wie wird das erst bei den steilen Anstiegen werden? Ich beschließe, mich nicht weiter zu ärgern, weil das ohnehin nichts an meiner Situation verändert und ich die Ausfahrt doch eigentlich genießen wollte. Ich mache noch ein paar Erledigungen in der Stadt und muss anhalten, weil ein Handwerker seinen Lieferwagen vor einem Poller geparkt hat und ich mit Anhänger nicht durchpasse.
Nur nicht aufregen!
“Reg dich bloß nicht auf”, sage ich lautlos zu mir selbst. Der Handwerker glotzt mich einfach an, als würde er darauf warten, dass ich meine Flügel ausklappe, um über sein Fahrzeug zu fliegen. Er hat keine Lust, den Wagen ein paar Meter zu bewegen und fängt eine Diskussion mit mir an.
Jetzt ist meine Laune ja gerade, nun sagen wir mal, nicht so prima, weil mich das langsame Vorankommen mit dem Liegedreirad nervt und ich überhaupt nicht gerne daran denke, wie ich die Berge bewältigen soll.
Mir platzt der Kragen: “Beweg jetzt endlich deine Sch***karre hier weg!” schreie ich ihn an “Und zwar dalli! Du stehst mitten auf dem Rad- und Fußweg, direkt hinter der Barriere, so dass sogar die Fußgänger sich nur durchquetschen können! Was glaubst du eigentlich, wie lange ich noch hier herumstehen soll, nur weil du keinen Bock hast deinen A***** ins Auto zu setzen, um einen halben Meter vorzurollen. Was soll das eigentlich?”
Natürlich spielt sich das alles nur in meinem Kopf ab. Aber es fühlt sich fast so an als würde ich es laut sagen. Kennst du das auch? Diese inneren Dialoge, die man hemmungslos durchspielen kann und die den Druck von innen heraus nehmen? Der Typ hört nicht auf zu labern, ich schließe meine Augen, atme tief durch und blende ihn einfach aus. Und dann fällt es mir plötzlich ein!
Ich schaue ihn an und fange an zu lachen. Er ist total verdutzt und springt tatsächlich ins Auto, um mir schnell Platz zu machen. Aus seiner Sicht sieht das wohl so aus: Da sitzt eine Frau auf einem komischen Dreirad, zieht einen Anhänger hinter sich her, während zwei orangene Wimpel hin und her wippen und dann fängt sie auch noch an wie eine Verrückte zu lachen, wo sie doch gerade echt sauer war. Ich glaube, ich hätte ein bisschen Angst was da als nächstes geschehen könnte….
Ich winke ihm beim Vorbeifahren fröhlich zu, er beobachtet mich misstrauisch von der sicheren Fahrerkabine aus bis ich hinter der Kurve verschwunden bin.
Ich stelle erst mal meinen Motor aus und pedaliere ganz leicht die Auffahrt hoch. Ich muss noch mal lachen als ich mich daran erinnere wie ich am Anhänger nachsah, ob es dort eine Blockade gibt. Ich hätte einfach nur die Parkbremse lösen müssen, statt mit angezogener Bremse durch die halbe Stadt zu fahren….