In diesen Wochen lese ich gerne online über das Radfahren und Fahrräder.
Ich könnte mir vorstellen, dass es euch ähnlich geht. Da sollte ich doch selbst auch dazu beitragen, dass ihr etwas zu lesen habt.
Mein Senf in Zeiten von Corona
Ich hatte mir eigentlich vorgenommen, nicht auch noch meinen Senf dazu abzugeben. Ich halte meine Meinung für nicht relevant oder wichtig für euch.
Aber ich bekomme E-Mails von euch, die deutlich ausdrücken, dass mein Senf erwünscht ist.
Vielleicht erzähle ich einfach wie ich diese Zeit erlebe und verbringe.
Ich denke oft an Menschen, die in der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen werden, oder höchstens mit gerümpfter Nase. Viele von euch wissen, dass ich einige Jahre in der Wohnungslosenhilfe arbeitete. Da denkt man unweigerlich an bärtige Männer, die auf einer Bank sitzen und Alkohol trinken. Es gibt aber auch noch viele Menschen, die von Wohnungslosigkeit bedroht sind, also noch irgendwie wohnen, aber womöglich bald nicht mehr. Und "irgendwie" ist hier ein nicht zufällig gewähltes Wort.
Für Frauen ist so eine prekäre Lage noch dramatischer. Was sie alles für eine Nacht in einem trockenen Bett tun, brauche ich wohl nicht zu beschreiben. Draußen auf der Straße sind sie viel ungeschützter und die Gewalt noch brutaler.
Und genau an sie denke ich gerade am meisten. Die Frauen in Armut. (Die Kinder lasse ich außen vor, den Gedanken hält man ja gar nicht aus.)
Mit welchem Ekelpaket von Mann müssen sie sich gerade auf engstem Raum aufhalten? Wer hilft ihnen, wenn die Gewalt unerträglich wird? Wo können sie hin, wenn der öffentliche Raum tabu ist?
Und noch weiter gedacht: Wo sind jetzt all die zur Prostitution gezwungenen und teilweise nach Deutschland verschleppten Frauen? Die zwangsgeschlossenen "Bordelle" haben sie reihenweise auf die Straße geworfen, wo sie bislang wohnen mussten.
(Ich weiß, dass die meisten Leser Männer sind. Bitte versteht den Begriff "Ekelpaket von Mann" nicht pauschal. Ich schimpfe nicht über Männer im Allgemeinen oder werfe sie alle in einen Topf.)
Kein schönes Thema, ich weiß. Aber wenn ihr mich fragt, was mich in diesen Zeiten besonders bewegt, ist die ehrliche Antwort: eben dies.
Diese Menschen sind mir nicht egal, nur weil ich nicht mehr beruflich mit ihnen zu tun habe. Ich mische mich auch heute immer noch ein, wenn ich Polizeikontrollen beobachte oder Jugendliche eine verwirrte Frau piesacken.
Links, die dich interessieren könnten
Ansonsten lese ich viel mehr als sonst und schaue im Internet nach Fahrradthemen, an denen ich mich erfreuen kann.
Medien
Ich fahre auch nach wie vor Trike. Bewegung an der Luft wird derzeit (noch) ausdrücklich empfohlen und die Hunde schätzen ihren Auslauf. In einem Artikel des Spiegel Online fand ich ein interessantes Zitat von Jens Spahn, der die Deutschen dazu aufforderte, sich "im Sinne des social distancing zu überlegen, ob er einen Weg zu Fuß oder im Sattel zurücklegen könne, statt öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen. So könne das Infektionsrisiko gemindert werden."
Weiter kommen in dem Beitrag Spezialisten zu Wort, die Radfahren als "perfekten Selbstschutz" deklarieren, da man sich nicht anstecken kann. Radfahrende hielten automatisch Abstand zu anderen und berührten auch keine Oberflächen. Nur an den Ampeln solle man daran denken, dass die viele Hände berührten.
Wenn euch der Beitrag interessiert, könnt ihr ihn hier anklicken.
Schon die Überschriften "Fahrradfahren senkt das Infektionsrisiko" und "Radeln stärkt die Lunge" verleihen gute Laune.
Dazwischen sah ich mir auch eine Dokumentation auf 3 Sat an. Sie beschreibt wie überzeugte Autofahrerinnen zu begeisterten Radfahrerinnen werden, wie Autofahrer eigentlich lieber Rad fahren würden und es geht um Fahrradpolitik und Verkehrsplanung. Der Titel ist etwas reißerisch, aber der Inhalt durchaus sehenswert.
Wenn ein Taxifahrer sagt, dass in Kopenhagen ein Tag im Taxi zu einem Tag in der Hölle werden kann, wegen der vielen umherschwirrenden Radfahrern, muss man doch unweigerlich laut auflachen.
Er führt weiter an, dass die Radfahrer in Dänemark so dermaßen verwöhnt seien, dass sie immerzu mehr forderten. Das Problem bestünde darin, dass sie so viele Radwege mit ihren eigenen Ampeln bekommen hätten. Welch ein Fehler! Er hätte ja nichts gegen Radfahrer, einige seiner Freunde seien auch Radfahrer, manche seien ja ganz nett ... kommt euch das irgendwie bekannt vor, wenn ihr solche Formeln hört?
Bis zum 15. April ist der eineinhalbstündige Beitrag hier zu sehen.
Sogar in der Wirtschaftswoche erschien ein Artikel über das "neue Statussymbol Lastenfahrrad". Er ist kurz und unterhaltsam zu lesen.
Die Neue Zürcher Zeitung fesselte mich mit einem Artikel über einen Fahrradlobbyisten, der bei der Stadt Zürich angestellt wurde, um unter anderem die Radinfrastruktur voranzubringen.
Die Stadt hat sich einen ihrer größten Kritiker ins Haus geholt. Ein unbequemer Querulant, der stets große Töne spuckt. Alleine das ist schon faszinierend. Herr Durner ist schon lange in der Geschäftsführung von Pro Velo Kanton Schweiz und wird seinen Posten dort zum Sommer aufgeben.
Die Empörung mancher Politiker, einen fahrradbegeisterten Aktivisten in eine auf ihn perfekt passende Position zu bringen, hat mich dann doch ein wenig verwundert.
Der Zürcher Velo-Cheflobbyist erhält einen Job in der Stadtverwaltung - ich wünsche ihm von herzen viel Erfolg und weiterhin Durchhaltevermögen.
Fahrradmode
Im Februar war meine Schwägerin zu Besuch und zeigte mir ihren selbst entworfenen Fahrradrock. Er ist wasserdicht und hat einen sehr breiten Bund mit eingearbeitetem Lammfell, damit die Nieren schön warm bleiben. Für Liegeräder ist das nun nicht so praktisch, da würde der Rock immerzu hochrutschen. Aber allen Noch-Aufrechtradlerinnen oder gelegentlich Aufrechtradlerinnen möchte ich diesen Link zum Thema empfehlen.
Manchmal finde ich es sehr schade, dass ich immer so aussehe als käme ich gerade aus einem Camp für "Wie überlebe ich in der Wildnis?", wenn ich mit dem Trike in die Stadt fahre. Im Sommer kann ich mit leichten Leinenhosen und luftigen Oberteilen zur Verabredung erscheinen. Aber im Winter bin ich in rascheliger Outdoor-Ausrüstung unterwegs.
Wenn ihr euch nicht scheut, englischsprachige Websites anzusehen, werdet ihr bei discerningcyclist.com eure Freude haben. Dort gibt es Links und Artikel zu tollen Outfits für Radfahrer, in denen man chic aussieht. Allerdings blutet dabei auch der Geldbeutel ...
Wie bei diesem Blazer z.B.
Er hat einen stolzen Preis, aber schauen darf man ja mal.
Auch von dieser Jacke träume ich lieber als dass ich wirklich in Betracht ziehe, sie zu erwerben. Die Details und das Design sind allerdings umwerfend. Sorry Jungs, schon wieder Mädchenkram. Ja, das ist Frauenmode. Aber die Hersteller haben auch was für Männer.
Diese Regenjacke hat mich besonders interessiert. Sie ist so lange wie ein Mantel, und ich könnte mir vorstellen, dass sie auch auf dem Liegerad gut sitzt. Sie ist ebenfalls sehr modisch geschnitten und sieht einfach toll aus.
Ob der Fahrradhelm, den man falten kann und der gar nicht aussieht wie ein Helm, etwas taugt, wird sich erst herausstellen müssen. Das Konzept ist faszinierend, ich werde ein Auge darauf behalten wie es sich entwickelt.
Was mich sonst noch bewegt
Luna hatte kürzlich eine weitere Operation zu überstehen, da an ihrem schlimmen Bein nachgebessert werden musste. Sie hatte begonnen wieder nur auf drei Beinen zu gehen. Zwei Implantate helfen nun dem verkrüppelten Bein, alles an Ort und Stelle zu halten. Das eine muss in ein paar Wochen wahrscheinlich entfernt werden, so das ein weiterer Eingriff nötig sein wird. Allerdings wird das nur eine kurze Narkose mit kleinem Schnitt.
Sie ist in der Genesungsphase und darf ihre Schwester auf kurzen Fahrradfahrten begleiten. Dabei muss sie nicht dauernd nur im Anhänger sitzen. Es ist von Vorteil, wenn man so ein zierliches Leichtgewicht ist. Da kann man ab und zu mal während der Fahrt auf Frauchens Bauch liegend die Sonne und die Aussicht genießen.
Ich hoffe ich konnte euch mit ein paar Lesetipps zu Diensten sein. Ausgedehnte Radtouren sollten wir trotz Radelempfehlung nicht unternehmen. Eher Besorgungen damit machen und kurze Touren fahren.
Ich fahre nicht mehr zum Wochenmarkt und lasse das meiste von meinem Hofladen zu mir nach Hause liefern. Ich fürchte ich bin ein zu sensibler Mensch für die Szenen, die sich teilweise in den Läden abspielen.
Irgendwie kommt es mir komisch vor, den für diesen Monat geplanten Beitrag zu ICE Trikes zu machen. Ich werde mir überlegen, ob das gerade passt oder ich ihn nicht ein wenig verschiebe. So wie die SPEZI. Die ist auch verschoben. Auf den 15./16. August 2020.
Bleibt gesund und optimistisch.
Schön, dass ihr da seid.
Bis demnächst.