Kleiner Radurlaub

 

Spontan musste ich ins Ländle fahren und damit ich meinen Geburtstag nicht auf der Autobahn feiern musste, beschlossen Paul und ich, noch zwei Tage für Radtouren dranzuhängen.

IMG_0434Wir luden also unsere Scorpions samt Hundeanhänger ins Auto und bekamen tatsächlich alles bei umgeklappten Rücksitzen hineingezwängt. Emilia lag im Fußraum zwischen meinen Füßen.

 

 

An meinem Geburtstag starteten wir von der kleinen Stadt, aus der unser Finanzminister Wolfgang Schäuble kommt und fuhren an der Kinzig entlang Richtung Kinzigtal. Das Wetter bescherte uns viel Sonne und der Fluss leuchtete neben dem befahrbaren Damm. Nur wenige Menschen waren an diesem Werktag unterwegs und so konnte auch der Hund weite Strecken frei mitlaufen. Die Route war sehr eben, so dass das Radeln ganz von selbst ging.

 


Für mich war es wunderschön, in meiner alten Heimat mit dem Liegedreirad zu fahren, da ich doch sonst meist nur zur Arbeit mit dem Liegerad unterwegs gewesen war. Vor dem Scorpion war das Liegerad für mich v.a. ein Transportmittel gewesen. Ich genoss jeden Kilometer!

Bevor wir in Gengenbach aufbrachen, kam ein Mann aus einer Gaststätte gerannt, um uns anzusprechen. Vom Fenster aus hatte er uns auf dem Liegedreirad entdeckt und wollte unbedingt mit uns sprechen.

Ich war verblüfft, denn er wollte nichts über unsere Liegedreiräder wissen, war auch kein Bewunderer der dreirädrigen Gefährten, sondern hatte etwas auf dem Herzen.

“Ich bin Polizist und möchte euch bitten, mit diesen Rädern nicht auf der normalen Straße am Straßenverkehr teilzunehmen”, fing er an. “Das sind tolle Fahrräder und ihr habt sogar gut sichtbare Wimpel angebracht, aber in den letzten paar Jahren war ich bei zehn tödlichen Unfällen mit Liegerädern der Beamte vor Ort, das ist echt krass. ZEHN!”

Ich war einen Moment sprachlos. “Bitte fahrt nicht auf der Straße, nehmt Routen, bei denen ihr immer auf einem separaten Radweg oder Wirtschaftsweg fahren könnt und wenn es gerade keinen gibt, fahrt auf dem Fußgängerweg. Natürlich müsst ihr dann Rücksicht auf Fußgänger nehmen und es ist ja nicht erlaubt, aber das ist egal. Es wird euch sowieso niemand deswegen anzeigen und ihr seid weg von der Straße.”

Ich dachte, ich höre nicht richtig. Riet mir gerade wirklich ein Polizist zu verkehrswidrigem Verhalten? Er erzählte uns von den schrecklichen Unfällen und betonte noch einmal, dass alle Radler ihr Leben verloren hatten. “Dabei waren die nicht mal alle Schuld. Es sind die Autofahrer, die oft unkonzentriert sind und solche Liegeräder übersehen, weil sie so niedrig sind. Da spielt einer mit dem Handy oder hat Alkohol getrunken, das geht so schnell”, erklärte er uns. Ohne ein Versprechen seinen Rat zu beherzigen, wollte er uns nicht gehen lassen. Also stimmten wir ihm zu und er ließ uns fahren.

Paul und ich dachten eine Weile über diese Begegnung nach und diskutierten darüber. Leider hatte ich vergessen, den Mann zu fragen, in welchem Zeitraum er die zehn verunglückten Liegeradler hatte. Für ihn ist klar, dass ein Liegerad eine große Gefahrenquelle ist.

Abends auf dem Rückweg machten wir eine kleine Pause am Fluss, da sprach uns eine ältere Dame an: “Oje, Sie brauchen doch nicht die Räder, oder? Ich meine, Ihnen fehlt doch nichts? Sind Sie gesund?” Sie seufzte erleichtert auf als ich ihr erzählte warum wir Liegedreirad fahren. “Ach wissen Sie, wir haben zu Hause einen jungen Mann ohne Arme und Beine, da denke ich natürlich in gewissen Bahnen,” versuchte sie uns ihre seltsame Frage zu erklären, “und da dachte ich, als ich Sie beide so hier sitzen sah, die werden doch nicht amputierte Beine haben oder so was, das sind ja schon außergewöhnliche Räder.”

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Wir unterhielten uns noch eine Weile mit ihr und sie erzählte von Begegnungen mit Wolfgang Schäuble, dass man ihn hier immer noch gelegentlich sehe, er zu vielen Veranstaltungen in seiner Heimat käme und dann den Leuten gerne zuwinke. “Nur wenn er im Rollstuhl irgendwohin will, schaut er die Leute nicht an”, und zeigt uns den Gesichtsausdruck, den Herr Schäuble dabei angeblich macht. Soso, dachte ich und wir verabschiedeten uns.

Am nächsten Tag wollten wir gerne von Seelbach, durch das Städtchen Lahr, am Schutterentlastungskanal entlang bis zum Rhein fahren. Den Rhein erreichten wir allerdings nicht, weil ich in Lahr spontan beschloss, zu einer Gaststätte zu fahren, die ich immer sehr gemocht hatte. Wir kehrten ein, aßen etwas und nahmen die gleiche Strecke einfach wieder zurück. Die Steigungen waren minimal und die meisten Zeit konnten wir an der Schutter radeln. Es waren an diesem fast sommerlichen Tag zahlreiche RadlerInnen unterwegs, und wir genossen diese Atmosphäre sehr. Emilia war total müde vom Vortag, so dass sie sich die meiste Zeit chauffieren ließ.

Wir hatten wunderbare Tage mit unseren Liegedreirädern und genossen diesen ungeplanten Kurzurlaub sehr. Lange schon hatten wir darüber gesprochen mal ein paar Tage mit den Rädern auf Tour zu gehen und wollten mit Tagestouren anfahren, um zu sehen wie das mit Anhänger und Hund so funktioniert. Einen schöneren Geburtstag hätte ich mir nicht vorstellen können. Zum Abschluss hielten wir noch in einem Trachtenladen und ich erstand ein traditionelles Outfit wie ich gerne als Kind eins gehabt hätte.

IMG_0543“Wenn du groß bist, bekommst du eins zum Geburtstag” – wer hätte das gedacht….

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Michael - 19. April 2015 Reply

Wieder mal Topp 😉

    Maria Jeanne Dompierre - 20. April 2015 Reply

    Es freut mich, dass dir der kleine Bericht gefällt, danke 🙂

Liegeradmann - 20. April 2015 Reply

Oh man, ist das hübsch dort. Das wäre ja auch genau meine Landschaft. Ich bin ja im Mai ein paar Tage im Süden, vielleicht mache ich mal einen Abstecher dorthin.

Das mit dem Polizisten ist natürlich ein starkes Stück. Ich nahm ja an, dass wir uns durch unsere Flaggen wirklich sehr präsent aufstellen, aber so bringen ja anscheinend nicht einmal Flutlicht-Scheinwerfer auf dem Gepäckträger etwas. 🙁

Nichtsdestotrotz ein schöner Beitrag, der Lust auf Cruisen macht. 🙂

    Maria Jeanne Dompierre - 21. April 2015 Reply

    Ja, das wäre ein schöner Ausflug für dich, es ist wunderbar dort.

    Der Polizist hat bei mir auch Stirnrunzeln verursacht, er hat immer wieder betont, dass es meist an den Autofahrern liegt, dass wir gerne übersehen werden.

    Dem steht meine nun schon über 10jährige Erfahrung gegenüber, dass wir noch besser wahrgenommen werden als Aufrechträder. Aber es war ihm ein dringendes Bedürfnis, uns zu warnen.

Marianne - 20. April 2015 Reply

Tja die alte Heimat ist halt doch auch schön.Gell?
Sonntagsvormittags könntest Du den Wolfgang Schäuble auch mal ganz entspannt an der Kinzig mit Handbike und seinem Tross sehen. Er kann dann sogar lächeln.
Das Dirndl muss ich Natura sehen.
Marianne.

    Maria Jeanne Dompierre - 21. April 2015 Reply

    Ja, daheim ist es am schönsten… 🙂

    In Offenburg haben wir ja schon Gerhard Schröder getroffen als er damals auf Wahlkampf war, das hat gereicht 🙂 . Recht hat Herr Schäuble, wenn er an der schönen Kinzig radelt!

    Das Dirndl hat sogar noch eine Schwester….ich führe gerne beide beim nächsten Familientreffen vor 🙂

KlausD - 20. April 2015 Reply

Hallo Maria,

da hast Du Dir ein schönes Stück Baden rausgesucht und wie immer einen interessanten Beitrag geschrieben.

Erschreckend ist Dein Polizeierlebnis. Aus einer Tour durchs Kinzigtal im letzten Jahr kann ich zwar nachvollziehen, dass vom Fahren auf der Bundesstraße abgeraten wird … aber das hat Nichts mit Liegerädern zu tun, sondern mit der dort – wie auch sonst auf dem Land – leider üblichen Raserei. Dass als Konsequenz allerdings vorgeschlagen wird, die Straße endgültig freizuräumen, ist eine Kapitulationserklärung.

Ich kann den Kinzigtalradweg (der weite Teile entfernt von der Bundesstraße liegt) nur empfehlen – ebenso die Sträßchen darum herum – zur schönen Landschaft muss ja Dank Deinem Beitrag Nichts mehr gesagt werden. Und Dank der guten Bahnverbindung nach Freudenstadt lässt sich der Weg auch gut von der Quelle aus fahren – Vorsicht, das obere Stück liegt richtig im Schwarzwald 😉

Viele Grüße

Klaus

    Maria Jeanne Dompierre - 21. April 2015 Reply

    Hallo Klaus,

    danke für deinen Kommentar 🙂

    Und der Polizist meinte nicht mal die Bundesstraße, sondern die normale Haupstraße. Er war sehr erfüllt von dem Schrecken der schweren Unfälle, die anscheinend immer so dramatisch verliefen und tödlich für die Liegeradler endeten. Immerhin macht er sich Gedanken und engagiert sich, uns davon zu berichten.

    Auf den Gehwegen fahren möchte ich trotzdem nicht. Ich werde es so halten wie bisher: Ich fahre manchmal verbotenerweise ein kleines Stück auf dem Gehweg, wenn ich meine, dass die Verkehrssituation zu unübersichtlich für mein Liegedreirad ist.

    Uns hat wie dir auch sehr gut gefallen, dass der Radweg an der Kinzig den rauschenden Autoverkehr auf Abstand hält, aber ich bin vom Teutoburger Wald verwöhnt: Das Rauschen, das man dennoch von der Bundesstraße hören konnte, störte mich an manchen Stellen ein bisschen. Das ging aber nach einer Weile weg. Wir sind diesen Weg zwei Mal gefahren, das habe ich im Bericht nicht erwähnt, so dass wir drei Tage lang unterwegs waren.

    Danke für die Warnung – im Hochschwarzwald sind ja eher die Mountainbikes heimisch.

Daniel - 8. Mai 2015 Reply

Hallo Maria,

der Polizist tut mir leid das ist schon kein Schöner Job und wenn man solche Unfälle erleben muss ist es kein Wunder dass er so reagiert hat, schließlich meinte er es nur gut.

Ich habe mir auch so meine Gedanken gemacht mit dem Liegedreirad
in der Stadt zu fahren, schliesslich gibt es bei mir keine Ausweichmöglichkeiten, man ist gleich mit den Autos in Kontakt,
Gehwege sind nicht breit genug und es ist schon wahr, die Sitzposition ist sehr tief und leider gibt es viele hirnlose Autofahrer, die noch zusätzlich
SMS tippen müssen während sie fahren.

Ach ja, Schäuble, nun das mit dem Gesichtsausdruck, wäre wirklich schlechter geworden wenn ich in getroffen hätte, denn dann wäre die Möglichkeit gewesen zu bieten für eine Hochwichtige Kapitalinvestition die aber nicht rückerstattet wird von mir Begründung, “wen nix hoscht kasch o it was zrug geba gell”, und diese Kapitalinvestition hätte ich dann investieren können um meinen mobilen Horizont zu erweitern, in Muttersprache “dann hät i a Dreirädle kaufa könna” da ja Herr Schäuble eh bei der Firma “Capital Union Deutschland” arbeitet, wäre dies kein Problem gewesen.

Ich wünsche Euch dreien ein Schönes Trockenes Radel Wochenende
Grüsschen Daniel

    Maria Jeanne Dompierre - 10. Mai 2015 Reply

    Ja, die Sitzposition ist wahrlich sehr tief bei den Liegedreirädern. Anthrotech und Hase bieten einen höheren Sitz an, aber dennoch bleibt das tiefer als ein aufrechtes Fahrrad.

    Wenn allerdings die Autofahrer mit ihrem Handy beschäftigt sind, übersehen sie auch einen Kombi.

    Danke für die schönen Wünsche!

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