Spontan musste ich ins Ländle fahren und damit ich meinen Geburtstag nicht auf der Autobahn feiern musste, beschlossen Paul und ich, noch zwei Tage für Radtouren dranzuhängen.
Wir luden also unsere Scorpions samt Hundeanhänger ins Auto und bekamen tatsächlich alles bei umgeklappten Rücksitzen hineingezwängt. Emilia lag im Fußraum zwischen meinen Füßen.
An meinem Geburtstag starteten wir von der kleinen Stadt, aus der unser Finanzminister Wolfgang Schäuble kommt und fuhren an der Kinzig entlang Richtung Kinzigtal. Das Wetter bescherte uns viel Sonne und der Fluss leuchtete neben dem befahrbaren Damm. Nur wenige Menschen waren an diesem Werktag unterwegs und so konnte auch der Hund weite Strecken frei mitlaufen. Die Route war sehr eben, so dass das Radeln ganz von selbst ging.
Für mich war es wunderschön, in meiner alten Heimat mit dem Liegedreirad zu fahren, da ich doch sonst meist nur zur Arbeit mit dem Liegerad unterwegs gewesen war. Vor dem Scorpion war das Liegerad für mich v.a. ein Transportmittel gewesen. Ich genoss jeden Kilometer!
Bevor wir in Gengenbach aufbrachen, kam ein Mann aus einer Gaststätte gerannt, um uns anzusprechen. Vom Fenster aus hatte er uns auf dem Liegedreirad entdeckt und wollte unbedingt mit uns sprechen.
Ich war verblüfft, denn er wollte nichts über unsere Liegedreiräder wissen, war auch kein Bewunderer der dreirädrigen Gefährten, sondern hatte etwas auf dem Herzen.
“Ich bin Polizist und möchte euch bitten, mit diesen Rädern nicht auf der normalen Straße am Straßenverkehr teilzunehmen”, fing er an. “Das sind tolle Fahrräder und ihr habt sogar gut sichtbare Wimpel angebracht, aber in den letzten paar Jahren war ich bei zehn tödlichen Unfällen mit Liegerädern der Beamte vor Ort, das ist echt krass. ZEHN!”
Ich war einen Moment sprachlos. “Bitte fahrt nicht auf der Straße, nehmt Routen, bei denen ihr immer auf einem separaten Radweg oder Wirtschaftsweg fahren könnt und wenn es gerade keinen gibt, fahrt auf dem Fußgängerweg. Natürlich müsst ihr dann Rücksicht auf Fußgänger nehmen und es ist ja nicht erlaubt, aber das ist egal. Es wird euch sowieso niemand deswegen anzeigen und ihr seid weg von der Straße.”
Ich dachte, ich höre nicht richtig. Riet mir gerade wirklich ein Polizist zu verkehrswidrigem Verhalten? Er erzählte uns von den schrecklichen Unfällen und betonte noch einmal, dass alle Radler ihr Leben verloren hatten. “Dabei waren die nicht mal alle Schuld. Es sind die Autofahrer, die oft unkonzentriert sind und solche Liegeräder übersehen, weil sie so niedrig sind. Da spielt einer mit dem Handy oder hat Alkohol getrunken, das geht so schnell”, erklärte er uns. Ohne ein Versprechen seinen Rat zu beherzigen, wollte er uns nicht gehen lassen. Also stimmten wir ihm zu und er ließ uns fahren.
Paul und ich dachten eine Weile über diese Begegnung nach und diskutierten darüber. Leider hatte ich vergessen, den Mann zu fragen, in welchem Zeitraum er die zehn verunglückten Liegeradler hatte. Für ihn ist klar, dass ein Liegerad eine große Gefahrenquelle ist.
Abends auf dem Rückweg machten wir eine kleine Pause am Fluss, da sprach uns eine ältere Dame an: “Oje, Sie brauchen doch nicht die Räder, oder? Ich meine, Ihnen fehlt doch nichts? Sind Sie gesund?” Sie seufzte erleichtert auf als ich ihr erzählte warum wir Liegedreirad fahren. “Ach wissen Sie, wir haben zu Hause einen jungen Mann ohne Arme und Beine, da denke ich natürlich in gewissen Bahnen,” versuchte sie uns ihre seltsame Frage zu erklären, “und da dachte ich, als ich Sie beide so hier sitzen sah, die werden doch nicht amputierte Beine haben oder so was, das sind ja schon außergewöhnliche Räder.”
Wir unterhielten uns noch eine Weile mit ihr und sie erzählte von Begegnungen mit Wolfgang Schäuble, dass man ihn hier immer noch gelegentlich sehe, er zu vielen Veranstaltungen in seiner Heimat käme und dann den Leuten gerne zuwinke. “Nur wenn er im Rollstuhl irgendwohin will, schaut er die Leute nicht an”, und zeigt uns den Gesichtsausdruck, den Herr Schäuble dabei angeblich macht. Soso, dachte ich und wir verabschiedeten uns.
Am nächsten Tag wollten wir gerne von Seelbach, durch das Städtchen Lahr, am Schutterentlastungskanal entlang bis zum Rhein fahren. Den Rhein erreichten wir allerdings nicht, weil ich in Lahr spontan beschloss, zu einer Gaststätte zu fahren, die ich immer sehr gemocht hatte. Wir kehrten ein, aßen etwas und nahmen die gleiche Strecke einfach wieder zurück. Die Steigungen waren minimal und die meisten Zeit konnten wir an der Schutter radeln. Es waren an diesem fast sommerlichen Tag zahlreiche RadlerInnen unterwegs, und wir genossen diese Atmosphäre sehr. Emilia war total müde vom Vortag, so dass sie sich die meiste Zeit chauffieren ließ.
Wir hatten wunderbare Tage mit unseren Liegedreirädern und genossen diesen ungeplanten Kurzurlaub sehr. Lange schon hatten wir darüber gesprochen mal ein paar Tage mit den Rädern auf Tour zu gehen und wollten mit Tagestouren anfahren, um zu sehen wie das mit Anhänger und Hund so funktioniert. Einen schöneren Geburtstag hätte ich mir nicht vorstellen können. Zum Abschluss hielten wir noch in einem Trachtenladen und ich erstand ein traditionelles Outfit wie ich gerne als Kind eins gehabt hätte.
“Wenn du groß bist, bekommst du eins zum Geburtstag” – wer hätte das gedacht….