Heute habe ich wohl das Mitleid eines besorgten Mitmenschen erregt. Ich hatte einige Besorgungen zu machen und radelte mit meinem Liegedreirad zum Hofladen, in dem ich meistens einkaufe.
Beide Ortlieb Taschen am Gepäckträger, den Anhänger hintendran und gut eingemummelt kam ich gut gelaunt am Laden an. Gezielt steuerte ich die Regale an und packte allerhand in den Einkaufswagen, doch am Kühlregal angekommen wurde mir langsam klar, dass ich ganz schön Gewicht würde heimfahren müssen. Das meiste war in Gläsern verpackt und Glas wiegt nun mal einiges.
An der Kasse ist mir dann das Ungeschickteste überhaupt passiert – gewöhnlicherweise denke ich stets daran, aber ich war so in Gedanken versunken über meine 7 große Gläser plus Gemüse und 3 Liter Milch plus Sahne in der Glasflasche usw. – das ist ganz schön schwer – dass ich einfach nicht daran dachte! Hinter mir hatte sich eine beträchtliche Schlange ungeduldig Wartender gebildet und einige sahen mir mit gerunzelter Stirn zu, wie ich hastig meine Handschuhe abstreifte, um alles in meinen Ortlieb Taschen zu verstauen. Ich war ziemlich schnell und zufrieden nickte ich der hinter mir wartenden Frau zu, denn ich hatte die Ladentheke frei geräumt, damit sie schon ihre Ware darauf legen konnte, während ich bezahle.
Zu dumm nur, dass sich mein Portemonnaie immer noch in meiner Fahrradtasche befand und zwar ganz unten drin, unter all den schweren Gläsern, Gemüse und sperrigen Tetra Pack.
Hast du schon mal versucht, drei glatte Gläser, eine Halbliterflasche Sahne und zwei Tetra Pack mit einer Hand anzuheben und zwar so, dass ein relevanter Abstand zum Boden entsteht, während deine freie Hand nach unten abtaucht, sich in den entstandenen Spalt zwängt und dort zwischen Tempopäckchen, Schlüsselanhänger, Fleeepullover (falls ich mal unterwegs halten muss und beginne zu frieren), Hosenklemme, Telefon und Kugelschreiber (man weiß ja nie….) nach dem flachen Geldbeutel tastet?
Meine Finger suchten immer noch ergebnislos, da kam mir der Gedanke, dass das Portemonnaie vielleicht in der anderen Tasche sein könnte…
Ich lasse also alles wieder vorsichtig auf den Boden der Tasche herabsinken, versuche die Blicke der Wartenden zu ignorieren, sehe aus den Augenwinkeln wie ein Mann die Luft aus seinen aufgeblähten Backen entweichen lässt, weil er vor Anspannung die Luft angehalten hat und wende mich der zweiten Tasche zu. Ich tauche mit beiden Händen links und rechts am Rand der Ortlieb Tasche abwärts, versuche mich zu erinnern, wo welches Glas liegt, flechte meine Finger von beiden Seiten zwischen die einzelnen Artikel, wühle mich zum Zentrum und weiter abwärts, es kann doch nicht sein, dass ich den verdammten Geldbeutel nicht zu fassen bekomme, er ist nicht da, ich kann die raue Oberfläche des schwarzen Synthetikstoffes einfach nicht finden. Die Verkäuferin lächelt mir aufmunternd zu und beginnt die Waren der Frau hinter mir in der nun noch längeren Schlange zu scannen.
Es hilft alles nichts, ich muss mich für eine Tasche entscheiden und alles wieder auspacken. Intuitiv habe ich die richtige Tasche gewählt und finde ganz weit unten, in den Falten des Fleecepullovers endlich mein Portemonnaie.
Nach dem Bezahlen packe ich in aller Ruhe wieder meine Ortlieb Tasche ein und schaue triumphierend zu dem Mann mit den aufgeblasenen Backen. “Siehst du, ich bin schon fertig, es hat doch nicht so lange gedauert wie befürchtet”, schicke ich ihm in einer Gedankenblase. Er mustert mich von oben bis unten, sein Blick bleibt auf meinen zwei übereinandergezogenen Mützen hängen, wandert über die Skihose zu den dreckigen Schuhen und schweift durch die Glastüre nach draußen, wo mein Liegedreirad steht, das den Hundeanhänger bewacht und fröhlich mit den zwei Wimpeln winkt.
Ich hebe die beiden Taschen an und stapfe zu meinem Liegedreirad. Die Taschen sind so schwer, dass ich sie mit meinen Knien mitbewege und so meine Arme entlaste. Der Stress fällt von mir ab, weil mich Emilia freudig begrüßt und ich mich auf die Heimfahrt freue.
“Sie – hallo! Entschuldigung, das sieht aber schwer aus”, höre ich eine tiefe Stimme hinter mir. Ich drehe mich erstaunt um und sehe einen besorgt dreinblickenden Mann mit seiner Frau. “Sie haben ja auch noch einen Anhänger – OGott OGott – und da ist ja auch noch ein Tier drin!” (Er hat wirklich “Tier” gesagt) “Ja”, antworte ich und überlege fieberhaft, worauf das wohl hinauslaufen mag, “Ähhm, also, ich könnte Sie auch gerne nach Hause fahren”, bietet er mir an “Die Taschen sind doch total schwer.”
Ich hänge die erste Tasche an den Gepäckträger und lächle dankend: “Das ist sehr freundlich von Ihnen, aber ich komme zurecht. Vielen Dank für Ihr Angebot.” Ich drehe den beiden den Rücken zu und hänge die andere Tasche ein.
“Also wirklich, das ist doch viel zu schwer, ich fahre Sie gerne. Oder ich bringe nur Ihre Taschen nach Hause.”
Ich bedanke mich noch mal, beteuere, dass das alles kein Problem darstellt und deute mit dem Finger auf den dicken Akku. “Ich habe Unterstützung, damit komme ich auch den Berg hoch”, erkläre ich ihm. Die beiden nicken zweifelnd, begutachten noch mal mein Liegedreirad und steigen mit einer herzlichen Verabschiedung in ihr großes Auto.
Ich nehme seufzend auf dem Sitz Platz, fahre los und denke, während ich das vertraute Fahrgefühl genieße, wie seltsam doch dieser Ausflug heute war und muss plötzlich sehr lachen als ich mich da im Laden in den Taschen wühlen sehe, mit zwei Mützen auf dem Kopf und schlurfenden Schritten zu meinem Scorpion gehend, während der kleine Hund freudig seinen Kopf aus dem Anhänger steckt, um mich zu begrüßen.