Ich möchte euch allen zuallererst das größte Dankeschön ausdrücken, das es gibt.
So viele mitfühlende und liebe Kommentare und noch mehr private Nachrichten haben mich in den letzten Monaten erreicht. Ich bin so gerührt.
Tausend Dank dafür! Ich hätte gerne ein Video gedreht in dem ich zu euch spreche, aber da habe ich ja mehr geheult als gesprochen, nur dieses Mal nicht vor Traurigkeit, sondern weil ich so berührt bin.
Es war ein seltsamer Frühling für mich. Die Familie muss sich neu orientieren, viele Erinnerungen werden ausgegraben, alte Fotos angesehen. Meine alten Videoclips betrachte ich nun mit ganz anderen Augen.
Und dann kam noch ein ganz anderes Problem, das ich so nicht erwartet hatte.
Aber erst mal der Reihe nach.
Das Liegedreirad wird verkauft
Irgendwann war es Zeit, das Scorpion meines Vaters zu verkaufen. Es war ein wichtiger Schritt des Loslassens und vor einigen Wochen war es so weit.
Ich setzte das Gefährt auf die Plattform http://www.hpv.org/index.php/gebraucht? und bekam schon nach einem Tag etliche Anfragen und Anrufe. Was man da so alles erleben kann, werde ich in einem zukünftigen Beitrag beschreiben, das ist schon spannend …
Das Trike war beim Fachhändler komplett überholt und überprüft worden und das Besondere an diesem Liegedreirad war auch, dass es gerade ein Jahr zuvor einen ganz neuen Motor eingebaut bekommen hatte und nur einige Monate damit gefahren worden war. Es war ein komisches Gefühl, das Foto und die Beschreibung hochzuladen und noch komischer, es zum Verkauf beim Händler stehen zu sehen.
Es gab etliche Interessenten, einige, die es sich ansahen und wenige, die Probe fuhren. Wir entschieden uns für einen sehr sympathischen Mann, dem wir es eigentlich nicht hätten verkaufen sollen, wenn wir den Verstand alleine entscheiden ließen. Erst war nicht ganz klar, dass er das gesamte Geld beisammen hatte, dann fuhr er in Urlaub, was bedeutete, das Trike aus dem Angebot herauszunehmen und zu reservieren, um alle anderen Interessenten auszuschlagen und dann holten wir das Trike mit einigem Aufwand auch noch zu mir nach hause, weil der Weg zu mir für den potenziellen Käufer kürzer war als nach Süddeutschland.
Die ganze Zeit aber war ich in Kontakt mit diesem Mann und hatte ein Bauchgefühl, das mir sagte: Dieser Mann ist genau der Richtige. Bei ihm ist das Trike in sehr guten Händen, er wird es ehren und sich freuen.
Meine Mutter und ich diskutierten ein wenig und beschlossen, der Intuition zu vertrauen. Alles ging gut, der Mann kam und kaufte das Trike und wir waren sehr froh, dass es einen so netten neuen Besitzer hat. Es war uns nämlich keineswegs egal, wer es übernähme, da hingen ja doch einige Emotionen und Erinnerungen dran.
Aber bevor wir es übergaben, stand noch ein besonderes Vorhaben an.
Totale Blockade
Anfang Juni hat mein Vater Geburtstag. Dieses Jahr zum ersten Mal nicht mehr. Meine Mutter und ich wollten diesen Tag gemeinsam begehen, und sie kam mich besuchen und brachte ihr Scorpion mit. Die Idee war, eine Radtour an der Weser zu unternehmen, diesem Sehnsuchtsort meines Vaters, wo sein Wunsch noch in Erfüllung gegangen war.
Ich war ein bisschen nervös. Ein Teil meiner Trauer hatte sich darin ausgedrückt, dass ich eine totale Blockade gegenüber dem Trikefahren entwickelt hatte. Ich dachte, das würde sich nach dem Ableben meines Vaters wieder geben, im letzten Beitrag beschrieb ich, warum ich nicht mehr fahren wollte und konnte.
Es war mir aber auch nach seinem Tod nicht möglich, auch nur mein Trike anzufassen. Oft ging ich in die Scheune, es war wie ein Besuch. Stumm sah ich es an, um mich gleich wieder wegzudrehen und zu gehen. Ich konnte es nicht einmal berühren. Wie ein Stein zog mich sein Anblick hinunter und alle Lebensenergie versackte. Ich dachte:
“Du spinnst ja komplett. Was ist denn los mit dir?” Aber so war das nun mal, ich wusste nicht wie ich es ändern sollte. Ich sprach mit meiner Familie darüber, aber brachte es nicht über mich, mein Scorpion anzufassen.
Irgendwann Ende April akzeptierte ich es einfach und hörte auf, nach dem Warum zu fragen. Der eine trauert so, die andere halt auf diese Art. Mit der gleichen Haltung nahm ich es hin, dass ein hartnäckiges Ekzem mein Gesicht verunstaltete und erst das eine Auge anschwellen ließ, dann das andere. Gefühle drücken sich nicht nur durch Worte aus.
Als meine Mutter mit ihrem Scorpion anreiste und das meines Vaters für den Verkauf gleich mitbrachte, wusste ich, dass die Heilung durch sie käme. Sie holte mit mir mein Trike aus der Scheune und drückte mir ein Mikrofasertuch in die Hand: “Ich kann es für dich reinigen, wenn du willst.” Ich machte es selbst. Ich schmunzelte bei dem Gedanken, dass auch noch mit Ende dreißig die Mama kommt und alles wieder gut macht.
Wieder auf dem Scorpion unterwegs
Ab jetzt war alles einfach. Wir radelten am Geburtstag meines Vaters bei schönstem Wetter an der Weser entlang und machten Rast für ein kleines privates Ritual zu seinem Gedenken. Ich empfand das reinste Glücksgefühl, wieder den Fahrtwind auf meinem Scorpion zu spüren.
Seither sitze ich wieder auf meinem dreirädrigen Gefährt, manchmal noch mit komischem Gefühl und kann das Glück, das ich dabei empfinde, wieder zulassen. Ich denke dann oft wieviel schöne Zeit mein Vater auf seinem Scorpion hatte und schicke einen Gruß ins Jenseits. Die Traurigkeit ist weg und – tja, leider auch all meine Kondition.
Wie ich die Berge hinaufkeuche! Ich kann momentan trotz Motor nicht mal den Hundeanhänger mitnehmen. Da habe ich mich ganz schnell wieder daran erinnert, dass ich mein Scorpion mit dem GoSwiss Motor aufrüsten wollte, denn der ist wesentlich leistungsfähiger.
Gestern habe ich den Hund doch mitgenommen und bin tapfer bergauf gestrampelt. Es ging schon ein wenig besser.
Die Saison beginnt für mich in diesem Jahr spät, aber dafür optimistisch. Nie hätte ich gedacht, dass mein Scorpion eine so große Rolle spielen würde in Bezug zu meinem Vater. Zeitgleich mit der Überwindung meiner “Liegedreirad-Blockade” verabschiedete sich auch meine Hauterscheinung. Ein Scorpion sollte es meiner Meinung nach durchaus auf Rezept geben können. Zum Glück ist es nicht verschreibungspflichtig und frei erhältlich.