Der Hundeanhänger ist auseinander gebaut, in die hinterste Ecke gestellt und zugedeckt.
Alle Decken sind gewaschen.
Wasserschüssel, Leine: dem Tierheim gespendet.
Viele von euch haben Emilia oft gesehen. Auf Videos, in Beiträgen.
Manche begegneten ihr auch schon persönlich.
"Mein Gott, was habe ich diesen Hund geliebt!" sage ich oft.
"Mein Gott, was ist dieser Hund gelaufen!" sagt meine Nachbarin.
Aller Anfang ist schwer
Recht hat sie. Emilia ist in ihrem Leben sehr viel gelaufen. Am Liegerad, Stöckchen bringend und zuhause ihren geliebten Teddybären erwartungsvoll vor die Füße legend.
Ich weiß noch wie ich mit ihr den ersten Fahrradausflug unternahm.
Das Liegerad sollte erst einige Monate später kommen und so hatte ich ein Körbchen mit Deckel am Lenker meines Trekkingrades. Emilia war ungefähr zwölf Wochen alt und schrie und jammerte ganz fürchterlich, so dass ich mir ernsthaft Sorgen machte, dass das nie klappen würde. Sie wollte raus aus dem Körbchen und auf meinen Schoß klettern. Unser Ausflug endete nach fünf Minuten.
Das Körbchen und später der Anhänger wurden nie ihre Favoriten.
Viel lieber wollte das kleine Terriermädchen selbst laufen!
Als sie vor zwei Jahren vor dem Eingang zum Anhänger wartete, damit ich aufmache, wusste ich:
Sie ist jetzt alt.
Wie eine Kanonenkugel
Ich habe viel geweint als sie starb. Aber auch gelacht, weil die Erinnerungen so schön sind an sie.
Sie war ein sehr glücklicher Hund. Und sie hat mich, bzw. uns sehr glücklich gemacht.
"Sie ist gestorben wie sie lebte: Wie eine Kanonenkugel", sagte Paul als wir ohne unser liebes Mausemädchen vom Tierarzt nach hause zurückkehrten. Wie betäubt saßen wir da und konnten es kaum fassen.
Eine halbe Stunde zuvor war alles noch gewesen wie immer. Man kann sagen, Emilia hat sich zu Tode gefreut. Mitten in der Wiedersehensfreude, als ich nach kurzer Abwesenheit nach Hause kam, kapitulierte der doch schon betagte Körper.
Schnell zum Tierarzt, einschläfern, bevor sie ihr Elend wahrnehmen kann. Es blieben mir nur zehn Minuten Autofahrt, um mich innerlich zu verabschieden, um sie loszulassen.
Meine treue Hundefreundin lag derweil auf meinem Schoß und konnte ihr Glück kaum fassen, denn auf dem Schoß liegen ist im Auto strengstens verboten. Sie gab Laute des Wohlbefindens von sich, der Körper so zerstört, dass sie GOTT SEI DANK keine Schmerzen spürte.
Nun wundere ich mich jeden Tag über die ungewohnte Stille im Haus. Denn trotz ihres Alters war Emilia immer noch sehr agil und eigentlich gesund gewesen. Nur drei Tage zuvor waren wir gemeinsam mit dem Trike unterwegs.
Nach der Radtour in die Decken vom Anhänger kuscheln
Total verwöhnt
Ihr Abschied an mich? Kurz bevor sie kollabierte, schimpfte ich mit ihr, weil sie eine Tüte ausgeräumt und alle Verpackungen darin fein säuberlich in kleinste Teilchen zerlegt hatte, die millimeterhoch den ganzen Teppich bedeckten. Was für eine Sauerei! Aber lohnenswert für das Schlitzohr, weil da noch zwei alte Schokoriegel aufzustöbern gewesen waren, die super lecker schmecken. Hmmm!
Da Emilia etwas schwerhörig geworden war, verstand sie mein Schimpfen gar nicht und sprang schwanzwedelnd um mich herum. Sie dachte, ich wolle spielen. Ich hörte sofort auf zu schimpfen. Was soll das auch? Der Hund ist jetzt alt.
Der Hund ist jetzt alt war ein geseufzter Satz, den Paul und ich in den letzten Monaten oft achselzuckend von uns gaben.
Hund jammert und heult bis wir endlich mit ihr auf die Couch liegen? Egal. Sie ist jetzt halt alt.
Sie schleicht sich robbend an den Tisch heran, an dem wir essen? Da tun wir doch mal so als sähen wir es nicht. Warum sollen wir den Hund auf die alten Tage noch mit blöden Erziehungsmaßnahmen belästigen.
Sie will dauernd auf den Schoß? Natürlich darf sie, sie ist doch jetzt so alt.
Der Hund stinkt ein bisschen? Ach wo. Unser Mausemädchen doch nicht! Nur andere alte Hunde stinken. Sie darf trotzdem unter die Decke. Sie soll es doch gut haben, jetzt, da sie so alt ist.
Mein Fazit: Ich bin total froh, dass wir sie in letzter Zeit so gründlich verwöhnt haben.
Im Hundehimmel
Und so stelle ich mir vor wie Emilia dort ankam, wohin wir alle glauben, dass wir nach dem Tod gehen.
"Hä? Gerade war ich doch noch bei Mutti auf dem Schoß!"
Nach der Begrüßung der Hundekumpels: "Hey, hört mal. Wisst ihr was ich grade gemacht hab? Ich habe eine Tüte mit Schokoriegeln drin gefunden. Mann, war das lecker. Mutti war mal wieder zu langsam."
Alle lachen sich kaputt.
Abschiedsgruß
Meine kleine, liebste M .... (im Internet verraten wir natürlich deinen peinlichen Kosenamen nicht!),
die Schokolade gönne ich dir von Herzen! Ich behalte dich in warmer Erinnerung und danke dir für viele wunderbare Jahre. Was habe ich gelacht, geschmunzelt und mich gefreut.
In meinem früheren Beruf hast du über Jahre hinweg geholfen, dass Menschen sich öffnen können und ihr Schicksal erzählen. Du sprangst einfach auf deren Schoß, sie streichelten dich und schon flossen die Worte.
Später warst du in einer Tagesgruppe für Demenzkranke und brachtest Freude in den Alltag der Menschen. Manchmal wachte sogar jemand aus der Lethargie auf und ein Angehöriger konnte noch mal ein klares Gespräch führen, nachdem schon lange nur Schweigen geherrscht hatte. Was für ein Geschenk!
Und auch wenn ich nun betrübt auf das Trike sitze, weil kein Anhänger mehr zu ziehen ist: Ich denke beim Radeln immer an unsere unzähligen gemeinsamen Ausflüge und vor allem daran, wie fassungslos ich bis zum Schluss war, wenn du nach dem neben-dem-Rad-laufen immer zuerst nach deinem Bären ranntest, kaum waren wir im Haus. In der Hoffnung, ich würde den jetzt werfen. Sogar mit 15 Jahren noch!
Überhaupt dein Bär! Dieses versiffte Ding, das du nach jedem Waschen meinerseits mit Hochverachtung anstarrtest bis er wieder ganz nach deinem Geschmack dreckig war und miefte. Ich hätte ja immer geglaubt, der wanderte zuerst in die Tonne.
Ich hab ihn aber gewaschen und mit seinen Löchern so wie er ist, unter die Palme gesetzt, wo ich ihn für dich manchmal versteckte. Ich werde ihn behalten.
Ich vermisse dich. Entsetzlich.
Mein Mäuschen.
Mach's gut.
Lieblingsplatz warmer Ofen - unter der Palme wartet der Bär